10. April 17
Aus Sicht HR …
Beim Abendessen mit dem Personalchef eines großen Industrieunternehmens, ein globaler Branchenführer, plaudern wir über den Nutzen von Funktionsstrategien. Ich publiziere gerade dazu und habe natürlich ein paar – aus meiner Sicht gute – Argumente, wieso es sinnvoll ist, sich als Funktionsbereich auch strategische Gedanken zu machen. Er hält dagegen und erzählt mir folgendes:
Er kämpft in den verschiedenen Personalbereichen, die er im Laufe seiner Karriere geleitet hatte, seit Jahren gegen den Satzbeginn: "Aus Sicht HR …".
Warum? Es signalisiert Distanz zum Geschäft.
Lassen Sie uns kurz überlegen, was ein Geschäftsverantwortlicher "hören" könnte:
- Es ist nicht meine Perspektive (die für das Geschäft als Ganzes)
- Es geht wahrscheinlich um Partikularinteressen von HR
- Mein Gesprächspartner aus HR sieht sich in einer beratenden Funktion – nicht mitverantwortlich für das Geschäft
Was hören Sie, wenn ein Kollege oder eine Kollegin aus dem Personalbereich zu Ihnen kommt?
Der Personalchef hat es sich auch zur Angewohnheit gemacht, alle größeren Meetings in seinem Bereich mit einem ausführlichen Input zur Geschäftslage zu beginnen. Erst danach kommen HR-interne Themen.
Gegenblende:
Bei einem Workshop mit einer leitenden HR-Verantwortlichen in einer verwandten Branche.
Das Unternehmen gehört ebenso zu den Top drei weltweit. Es geht um eine Vision und die Strategie für den Bereich. Im Workshop-Ablauf schlage ich vor, an den Beginn einen 30-45 Minuten Block zur Unternehmensstrategie zu setzen. Die Branche ist im Umbruch, die Verschiebung der Märkte Richtung Asien und die Digitalisierung sind große Herausforderungen, ein Transformationsprozess mit tiefgreifenden Änderungen ist bereits in Umrissen bekannt gegeben worden. Sie zögert etwas, erklärt mir, dass sie dazu nicht tief genug in die strategischen Diskussionen im Vorstand eingebunden ist, aber sie werde einmal sehen, was sie an Material auftreiben kann. Wenige Tage vor dem Workshop streicht sie den Agendapunkt. Anderes ist wichtiger.
Wir arbeiten dennoch erfolgreich an einem Zukunftsbild für den Bereich, integrieren die Perspektive der internen Kundinnen und Kunden anders in den Workshop. Und dennoch: Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in den Gesprächen mit den Geschäftsverantwortlichen vermutlich öfter Sätze so beginnen: "Aus Sicht HR…". Die andere Perspektive, das Geschäft, ist nun einmal nicht die ihre…
Mein Fazit:
Egal in welcher Funktion Sie unterwegs sind, probieren Sie doch den gemeinsamen Blick auf's Geschäft. Lassen Sie sich nicht verleiten, sich nur als "Unterstützungsfunktion" für diejenigen im Unternehmen zu sehen, die die Herausforderungen des Geschäfts meistern sollen. Denn die Herausforderungen des Geschäfts sind gemeinsame Herausforderungen.
PS: Wir konnten uns dennoch darauf einigen, dass Strategiearbeit für Funktionsbereiche sinnvoll ist. Wichtig ist dabei aber zuerst eine alle Funktionen integrierende Geschäftsstrategie. Da das der Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, war ich auch wieder befriedet.