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16. Juli 24

Beim Gehen das Laufen lernen

Über die kulturprägende Rolle von Führung bei tiefgreifender Veränderung

Die JUWI GmbH und Windwärts Energie GmbH wurden im Juli 2022 unter dem Dach der MVV Energie AG mit Sitz in Mannheim zusammengeführt. Der Zusammenschluss beider Unternehmen erfolgte unter dem Namen JUWI, das Unternehmen erhielt dabei aber ein neues Markenbild. 

Von Beginn an war klar, dass in der Verschmelzung beider Organisationen Führungskräfte eine zentrale Rolle spielen: Sie geben Orientierung, integrieren, übersetzen, vermitteln und sind entscheidend für die Umsetzung der Unternehmensvision und -strategie. Um dieser Bedeutung von Führung Rechnung zu tragen, fand im Juli 2022 ein Führungskräfte-Event statt, bei dem Ziele und Erwartungen an Führung diskutiert, aber auch konkrete Herausforderungen sowie erste Lösungsansätze identifiziert wurden. "In der Zusammenführung von Unternehmen gibt es immer gefühlte Gewinner und Verlierer. Und genau das war die damalige Stimmung. Daher war es uns wichtig, eine Integration auf Augenhöhe nicht nur zu vermitteln, sondern tatsächlich auch umzusetzen. Das Event war für uns alle ein erster großer Test, ob uns das auch gelingt", so Jana Warken, Personalleiterin bei JUWI.

So galt es im ersten Schritt eine Annäherung beider Seiten mit Blick auf wechselseitige Erwartungen an Führung zu besprechen, aber auch konkrete Herausforderungen sowie erste Lösungsansätze zu identifizieren. Eine zentrale Erkenntnis der Geschäftsführung im Anschluss an die Veranstaltung war, dass diese Veranstaltung keine Einmalaktion bleiben sollte, sondern Führungskräfte zukünftig noch stärker aktiv in strategische Diskussionen eingebunden werden sollten, auch um auf diesem Weg den "Community"-Gedanken innerhalb des Führungskreises zu stärken. So weit, so gut.

Kurze Zeit später im November 2022 kam es zur Folgeveranstaltung, in der es darum ging, die Vision und Strategie der JUWI im Führungskreis zu besprechen und auf Basis eines gesamtorganisatorischen Blicks Führungsleitlinien zu erarbeiten sowie erste Überlegungen anzustellen, wie diese im Tagesgeschäft umgesetzt werden können. Kein leichtes Unterfangen, wenn es im Kern um knapp 100 Personen geht. "Ich war sehr gespannt, ob und wie uns das gelingen würde", erinnert sich Tabea Thiel, Senior HR-Consultant der JUWI. "Wir haben im Vorfeld auf Conceptboard lediglich thematische Korridore entlang unserer Strategie und Werte gebaut, diese mit Leitfragen angereichert und dann die Kolleginnen und Kollegen in Kleingruppen daran arbeiten lassen." Das Ergebnis war in vielfacher Hinsicht beeindruckend: Nicht nur wurde in kurzer Zeit sehr konkret ein Ambitionsniveau für Führung formuliert, auch wurden die Herausforderungen deutlich, die diesem gegenüberstehen. Dies nahm die Geschäftsführung bereits in der Veranstaltung auf und ging mit dem Führungskreis in den Dialog: Was heißt das genau? Wie zeigen sich die Herausforderungen? Was wurde probiert und mit welchem Erfolg? Wie erklären wir uns das Phänomen? Über Fragen erklärten sich Führungskräfte die Welt, rangen um Antworten und Erklärungsversuche und beschlossen, gemeinsam eine klare Orientierung zum Verständnis von Führung bei JUWI international zu entwickeln.

"Uns war und ist bewusst, dass die Leitlinien in erster Linie der Transparenz und Vermittlung dessen dienen, was wir unter Führung verstehen. Die Umsetzung und damit auch Übersetzung liegen in der Verantwortung der Führungskräfte und ihrer Teams. Auch stehen die Leitlinien in einem widersprüchlichen Verhältnis zueinander: So geht es beispielsweise zum einen um die Einhaltung von Regeln und Vorschriften, zum anderen aber auch um die bewusste Gestaltung von Wandel, das heißt gegebenenfalls auch Regeln in Frage zu stellen." Diese Aussagen von Jana Warken bestätigen, was gelebte Führungsrealität schon lange beweist: Komplexe Probleme lassen sich nicht mit einem ODER-Denken lösen, sondern bedürfen eines UND-Denkens, was sich im Sowohl-als-auch zeigt (Smith/Lewis, 2022; Luhmann, 2011). Dass eine solche Haltung nicht von selbst und schon gar nicht über Nacht entwickelbar ist, war sehr schnell klar. Zu sehr verankert ist ein Handeln im Entweder-oder, was sich beispielsweise auch in Entscheidungsprozessen oder in der Ausgestaltung von Konflikten zeigt.

Und so wurde mit der Verabschiedung der Führungsleitlinien im Spätherbst 2023 auch beschlossen, Führungskräfte dabei zu unterstützen, diesen Anforderungen zu dienen. Dienen ist hier wörtlich zu nehmen, denn im Kern gilt es für Führungskräfte ihre Rolle mit Blick auf die veränderten Ansprüche neu zu identifizieren, Entwicklungswege zu erkennen und damit dem zu entsprechen, was die Organisation verlangt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Thema Rolle bei den Qualifizierungen gleich zu Beginn thematisiert wird, denn es bildet die Grundlage für alles Weitere. Dabei werden nicht nur umgesetzte Rollen, sondern auch angediente Rollen oder Lieblingsrollen thematisiert. Auch hier wird schnell deutlich: Rollenarbeit bedeutet das Handeln in Widersprüchlichkeiten. Führung, verstanden als eine Systemleistung, gilt es somit im Spannungsfeld von Person und Organisation immer wieder zu verhandeln, bzw. zu entdecken. Konkret geschieht das durch organisationsübergreifende Qualifizierungsmodule, die neben dem Thema Rolle unter anderem Zusammenarbeit (im Team und lateral) oder die Führung von Veränderung beinhalten.

"Wir haben in turbulenten Zeiten Wandel in unserer Führungsarbeit angestoßen und umgesetzt. Parallel hierzu mussten wir unser Tagesgeschäft umsetzen. Das ist so als würde man beim Gehen Laufen lernen. Aber gerade diese Spannung war notwendig, denn das eine kann nicht ohne das andere funktionieren", resümiert Tabea Thiel die letzten Jahre.

Auf der diesjährigen Führungskräftetagung wird es nun darum gehen, sich auf Basis des Qualifizierungsprogramms mit konkreten Anforderungen der Führungsleitlinien zu befassen. Auch dies wird wie gehabt dialogisch und interaktiv erfolgen. Warum nicht einfach mal zurücklehnen? Für Jana Warken ist das klar: "Als weltweite Projektentwicklerin für erneuerbare Energien sind wir einer permanenten Herausforderung aus ökonomischer Rentabilität und ökologischer Sinnhaftigkeit ausgesetzt. Führung bedeutet mit diesen Herausforderungen klug und vorausschauend umzugehen. Zurücklehnen wollen wir uns da nicht, das sind wir unseren Kund*innen, aber auch der Gesellschaft schuldig."

Links:

Podcast "Die Zukunftsmacher*innen": Oliver Haas im Gespräch mit Tabea Thiel "Paradoxien klug gestalten“ 

Webseite der JUWI

Literatur:

Smith, Wendy K., Lewis, Marianne W. (2022): Both/And Thinking. Embracing Creative tensions to solve your toughest problems. Harvard Business Review Press. Boston

Luhmann, Niklas (2011): Organisation und Entscheidung, 3. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden

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