16. Januar 20
Change: Der Sprung auf die andere Seite
Die Enttäuschung war dem CEO ins Gesicht geschrieben: eine neue Strategie und Struktur, eine gute Mischung aus erfahrenen und neuen Führungskräften - trotzdem gelang der Sprung nicht. Zu schleppend zogen sich die Veränderungen hin. Seine Reaktion: "Dann müssen wir wohl noch mehr Führungskräfte austauschen!"
Dieser Reflex ist weder neu noch selten. Immer wieder müssen Menschen, meistens Führungskräfte als Sündenböcke herhalten, wenn Veränderungen nicht wie geplant verlaufen. Führungskräfte sind greifbar, haben ein Gesicht und eignen sich bestens für die Projektion einer Schuld.
Oft sind jedoch nicht Führungskräfte die Ursache, wenn Veränderungsprojekte schleppend verlaufen. Es sind auch nicht falsche Pläne, ungenügende Strategien oder zu komplexe Strukturen. Häufig sind es Überzeugungen "inner beliefs", die über viele Erfolge bestätigt wurden und fest in den Gehirnwindungen verankert sind. Sie geben Orientierung und Sicherheit. Es sind diese geteilten Interpretationen über die Realität da draußen, die das kognitive Wir-Gefühl ausmachen. Sie sind der Kit, der die Organisation zusammenhält.
Strategieveränderungen sind häufig verbunden mit einem Wechsel der Überzeugungen. Immer wieder Führungskräfte auszutauschen ist ein teures Vergnügen. Anstelle der bisherigen müssen neue Überzeugungen, new beliefs treten. Okay, aber wie? Die Fundamentalisten beweisen uns täglich, dass das kaum möglich ist. Es ist auch schwierig, doch selbst der ungläubige Thomas fand seinen Weg.
Es begann mit einer wirklich guten neuen Story, wie sie von den Aposteln in die Welt getragen wurde. Sie war voller Anekdoten, lebendig und fesselnd und interpretierte die Welt in einer schlüssigen neuen Logik. Sinngebung, Purpose heißt das heute. Sie wurde legitimiert, nicht mit einer Analyse, sondern mit dem ultimativen Argument - Gottes Wort. Ein Held, ein Mensch wie du und ich als Identifikationsfigur war bereit sein Leben einzusetzen. Es brauchte Mut und Bereitschaft auf Seiten der Hörer, sich auf das Neue einzulassen. Dafür winkte eine wahrlich traumhafte Belohnung, das Paradies. Zugegeben eine Wette auf die Zukunft. An einem anderen Ort drohten Schmerzen und nie endendes Leid. Es wurde von Wundern (heute Erfolge) berichtet, die zeigten wie wirksam dieser neue Glaube ist. Apostel agierten als Botschafter und als Vorbilder. Sie wurden unterstützt von kleinen und großen Herrschern als Multiplikatoren, die die neue Geschichte protegierten. Und schließlich wurden Orte geschaffen, an denen sich die Gemeinschaft regelmäßig traf, um sich gegenseitig im Glauben an die neuen Mythen (Yuval Harari) zu bestärken.
Führungskräfte wirken so viel authentischer, wenn sie die neuen Überzeugungen verinnerlicht haben. Der Sprung auf die andere Seite, Strategiewechsel gelingen so viel einfacher, wenn sie von gemeinsamen Überzeugungen getragen werden. Darin zu investieren kann sich lohnen.