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13. Juli 21

Change Digital - Good Practices für die virtuelle Changebegleitung

Im Rahmen einer Netzwerkveranstaltung der osb international haben wir unsere Erfahrungen mit der virtuellen Begleitung von Veränderungsprozessen mit unserer Change-Community geteilt. Im Folgenden skizzieren wir dazu die wichtigsten Beobachtungen und Good Practices. Als Framework dienen uns die drei Dimensionen der Wirksamkeit, wie wir sie in unserem Change Navigator beschrieben haben.

Unsere Beobachtungen auf der Inhaltsdimension

Die bisherige Pfadabhängigkeit wird durch neue virtuelle Entscheidungswege verflüssigt
Betrachtet man klassische Meetings und Steuerkreise als wesentliche Komponenten der Entscheidungsfindung, wird klar, dass mit der Virtualität und dem New Normal neue Kommunikations- und Entscheidungspfade erzwungen wurden. Das gilt sowohl für das transparente Geschehen "auf der Bühne" als auch für das eher intransparente Entscheidungsgeschehen "hinter den Kulissen". Der souveräne Umgang mit virtuellen Formaten und Plattformen ist zu einer neuen Prämisse für Einfluss und Steuerungskompetenz geworden.
Wozu führt das? In unserer Beobachtung bereiten sich die verantwortlichen Führungskräfte und Stakeholder im virtuellen Kontext häufig inhaltlich besser, d.h. differenzierter auf die Veränderungsthemen vor. Die fachliche Vorbereitung findet dann häufig in kleinen internen Formaten statt, größere virtuelle Workshops werden in frühen Veränderungsphasen eher vermieden. Beratung wird dann mehr als bisher zum Sparringpartner für die (Zwischen-) Ergebnisse.
Kundenfrage: "Wie schlüssig klingt diese Argumentation für unsere Kick-Off-Kommunikation für Sie?"

Eine stärkere Vergewisserung für ein nachhaltiges Commitment ist notwendig
Wir wissen aus unseren Beratungsprojekten, dass die Fähigkeit, sich im virtuellen Raum auf komplexe Inhalte wirklich einzulassen und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, in der Regel geringer ausgeprägt ist als in Präsenz.

Die Reduzierung der Sinneserfahrungen im virtuellen Raum macht die Erfahrung eines verlässlichen Commitments zu Entscheidungen deutlich schwieriger. In der moderierenden Beratungsrolle muss man hier deshalb auch wesentlich expliziter kommunizieren und Commitment durch Nachfragen und Übersetzungsleistung sichern.
Kundenbeschreibung: "Die Teilnehmer hatten irgendwie alle etwas anderes verstanden!"

Unsere Beobachtungen auf der Sozialdimension

Die direkte Beobachtung des Interaktionsgeschehens im sozialen Raum ist eingeschränkt
Das Raumgespür fehlt im virtuellen Surrounding. Man fragt sich: Wer sitzt da mit welchen impliziten und expliziten Rollen?

Es fehlt der Blick dafür, wie die Beteiligten im Zusammenspiel miteinander interagieren und es wird schwieriger, dieses dem Beratungssystem zurückzuspielen, vor allem bei hybriden Veranstaltungen. Das haptische Spüren der Organisation ist reduziert, das Soziale findet nicht unbedingt im großen virtuellen Meeting statt. Die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Teilnehmern (Blicke zuwerfen, ...) sind deutlich reduziert und die fehlende informelle Abstimmung zwischen den Beteiligten verunsichert. Die Change-Verantwortlichen bekommen schnell einmal das Gefühl, die Mannschaft zu verlieren.
Kundenbeschreibung: "Nach dem Workshop hat es viele Abstimmungen zwischen den Teilnehmern gegeben, schade dass das nicht im Workshop offen ausgetragen worden ist!"

Die Bedeutung der Inszenierung von Change-Story und Miteinander nimmt zu

In der virtuellen Kommunikation von wichtigen Weichenstellungen braucht es ein dezidiertes Scripting des Vorgehens, um das Momentum für einen Buy-In zu sichern. Change-Kommunikation wird noch stärker in ihrer Inszenierungskompetenz angefragt, bei gleichzeitiger Unsicherheit bzgl. der Wirksamkeit im Adressatenkreis. Auch inhaltliche Auseinandersetzung und Diskurs müssen stärker vorbereitet und in geeigneten Räumen platziert werden.

Unsere Beobachtungen auf der Zeitdimension

Die Synchronisierung von Zeit- und Erlebenshorizonten der Akteure wird bedeutsamer
Der Identitätsshift zwischen Heimatrolle und Berufsrolle macht Verhalten "blurry", intransparent und (noch) weniger steuerbar. Führungskräfte haben keine Bilder (und keine Kontrolle) für das Vorher und das Nachher einer Veränderungskommunikation (Kevan Hall, 2021) Das "Abholen" einzelner Untergruppen zu einer Change-Implementierung spielt eine noch größere Rolle. Es entstehen aber auch völlig neue arbeitsrechtliche Fragen.
Kundenfrage: "Was mache ich denn, wenn mein MA vor dem Screen zusammenbricht? Wie komme ich dann meiner Fürsorgepflicht nach?"

Systemische Beratung kann durch die Kollaborationstools asynchrone und synchrone Formate und Impulse besser miteinander verknüpfen

Die Frequenz der Kollaboration im Beratungssystem ändert sich, meist wird eine häufigere Interaktion erwartet, dafür aber kürzer und effizienter. Die Folge: Ein "Chunking" der Beratungsleistungen in kleinere Einheiten. Beratung wird dann kurzfristiger zum Sparring genutzt und muss dafür auch verfügbar und responsiv sein. Die Hemmschwelle für ein virtuelles Beratungsgespräch sinkt im Vergleich zu einem Vor-Ort-Termin. Und: Synchrones und asynchrones Arbeiten findet häufig im Kollaborationsraum des Kunden statt (z.B. in Teams-Channels und im Chat).

Welche Good-Practices sehen wir für interne und externe Begleiter*innen des Change

  • Unterstützen Sie bei der reflektierten Entwicklung neuer Kommunikations- und Entscheidungspfade als "funktionale Äquivalente bisheriger Formate und Runden (Meyer in Anlehnung an Luhmann, 1994).
  • Investieren Sie mehr Vorbereitung und Planung in die Gestaltung der virtuellen Kommunikationsfläche. Schaffen Sie geteilte Boards und Chats für den Austausch und stellen Sie sicher, dass der Purpose der jeweiligen Maßnahmen gleichermaßen verstanden und geteilt wird.
  • Nutzen Sie die virtuellen Möglichkeiten für eine intensive und kurzzyklische Kontrakt- und Kontaktarbeit mit dem Klientensystem im Sinne einer gemeinsamen Definition, wie man miteinander wirksam werden kann und wie dieses messbar wird (z.B. in dem man Beobachtungskriterien für eine virtuelle Sequenz von Kulturwerkstätten anlegt.
  • Machen Sie eine gemeinsame Lernreise zu virtuellen Formaten (Teams -> Trello -> Miro -> Wonder Me -> ...). Das Ziel: Gemeinsam immer einen guten Schritt vorankommen!
  • Bieten Sie ein integriertes Spektrum von asynchronen und synchronen Dienstleistungen an.
  • Verstehen Sie Beratung auch als Sondierungsfunktion, die die Begrenztheit der Wahrnehmung im virtuellen Raum substituiert (z.B. durch individualisierte Pulse-Checks oder durch qualitative Mikrobefragungen kleiner Systeme).
    Kundenanfrage: "Machen Sie (osb-i) das mal wieder in einer Interviewserie, dann haben wir einen guten Überblick darüber, wo die Mannschaft steht!"
  • Definieren Sie emotionale Ankerpunkte, die der Entfremdung im virtuellen Raum entgegenwirken (Break Outs in bestehenden oder gemischten Teams mit Visualisierungen von Stimmungslagen).
  • Laden Sie zur offensiven Einführung von Sharingplattformen ein, zum Austausch, zur transparenten Vernetzung (z.B. in Form von Chats, Blogs und Kanälen -> "Schreiben Sie bitte einen Blog zu Ihren Erfahrungen in der Kulturwerkstatt" / Transparente Change Canvas).
  • Stimulieren Sie agile Kollaborations-, Planungs- und Entscheidungsformate (Kanban, Scrum, ...) und schaffen Sie "absichtslose" spielerische Begegnungsräume, Lean Coffee, Mystery Dates, "Auf ein virtuelles Bier mit Kolleg*innen", ...
    Kundenanfrage bei Fusion: "Wie bringe ich denn die Mitarbeiter beider Gesellschaften zusammen, wenn wir coronabedingt kein Meet&Greet feiern können?"
  • Beschreiben Sie offensiv Ihre Beobachtungen zu den Mustern virtueller Kollaboration im Sinne einer Spiegelung der Wahrnehmung/des Raumes: Wer spricht viel? Wer bleibt im Hintergrund? Was zeige ich von mir?
  • Stärken Sie die organisationale Kompetenz für schnelles Feedback und Retrospektiven.
  • Etablieren Sie (virtuelle) "Coaching on demand"-Angebote.
  • Unterstützen Sie bei der Durchführung von virtuellen Stresstests für die Zukunft (Prozesssimulationen, H. Kühne für osb international).

Literatur

  • Meyer, M. in "Ziele in Organisationen", Springer, 1994
  • Hall, Kevan & Alan: "Leading Remote and Virtual Teams", Global Integration Limited, 2021

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