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27. Juni 17

Die Agile Organisation - ein Mythos?

 von Hendrikje Kühne, osb international

Vorab die Frage nach dem "Warum" der agilen Organisation. Worauf soll Agilität die Antwort sein? Was ist so neu, dass es neue Antworten braucht?

Drei Beispiele aus der Studie "Agilität als Antwort?" seien dazu beschrieben:

  • Ein IT-Dienstleister ist seit einigen Jahren mit einem stetig agiler werdenden Umfeld konfrontiert. Das zentrale Management der Projekte war nicht schnell genug und wurde auf eine agile, community-basierte Steuerung umgestellt.
  • Ausgelöst durch einen Wechsel im Vorstand eines Unternehmens aus der Medienbranche, stieg die Sensibilität für die sinkende Reaktionsgeschwindigkeit der Organisation. Die Form der Zusammenarbeit sollte sich radikal vom Silodenken entfernen, um in den turbulenten Entwicklungen der Branche bestehen zu können. Realisiert wurde dies durch die Einführung agiler Bereiche innerhalb der Organisation.
  • Im Beschwerde-Management eines Mobilfunkanbieters liefen Kundenbeschwerden ein, die auf konventionelle Art und Weise nicht bewältigt werden konnten. Die Gefahr, dass mit den gewohnten Verfahren nur die Symptome behandelt würden schien groß. Man entschied sich deshalb, einen lose gekoppelten Bereich auf agile Art und Weise und selbst organisiert für das Problem Sorge tragen zu lassen. Die Antwortzeit konnte dadurch maßgeblich und nachhaltig verringert werden.

 

Was diese Beispiele eint, sind ein sich immer schneller drehendes Umfeld und die Einsicht der Führungskräfte, dass es nichts bringt, noch weiter an der Effizienzschraube zu drehen. Es müssen neue Wege, neue Methoden ausprobiert werden.

Ja - Die agile Organisation ist ein Mythos

Es ist grade hype, agil werden zu wollen. Verspricht dieser neue Trend doch, die Organisation so flexibel und schnell zu machen, dass sie mit den kommenden disruptiven Kräften des Marktes besser fertig wird. In unserer Studie "Agilität als Antwort?" beschreiben wir Initiativen, die von Organisationen unter dem Label "agil" gestartet wurden, um unterschiedliche Probleme oder auch anstehende Veränderungen angemessen bewältigen zu können.

Im Unterschied zu den üblichen Task Forces, Pilotprojekten oder Strategieinitiativen waren diese Maßnahmen bewusst anders aufgestellt worden. Im Vordergrund standen Merkmale wie: neben der Hierarchie positioniert, Verlagerung von Entscheidungen auf die Arbeitsebene, konsequentes Denken aus der Kunden- oder Marktperspektive oder auch bewusstes sich Heraushalten von Führungskräften. Keine der befragten Organisationen und auch keine andere Organisation, mit der ich bislang zu tun hatte, hat agile Methoden gießkannenartig über die ganze Organisation eingeführt. Dies geschah stets in einem durchdachten Mix, in einer Kombination aus agilen Initiativen und konventionellen Bereichen, wie sie den Unternehmen sinnvoll erschien. Je näher der Bereich an der Kundin und am Kunden und seinen schnell wechselnden Bedarfen ist, umso sinnvoller scheint es, sich genau dort agil zu organisieren. Hingegen sind überall dort, wo Stabilität und Governance gefragt sind, die Funktionen eher herkömmlich organisiert.

Nein - Eine Organisation überlebt nicht ohne Agilität

Kernkompetenz agilen Denkens ist es, die Notwendigkeit zur Veränderung schnell wahrzunehmen und darauf prompt reagieren zu können. Es geht also um die organisationale sensitivity und responsiveness. Keine Unternehmerin oder Unternehmer oder Managerin und Manager wird diese Kompetenzen ernsthaft negieren. Um am Markt überhaupt bestehen zu können, muss jedes Unternehmen über diese Kompetenz verfügen, andernfalls würde es unweigerlich wirtschaftlich scheitern und hätte seinen Daseinszweck verwirkt. Insofern ist Agilität ein elementarer Baustein für die Überlebenssicherung jedes Unternehmens und jeder Organisation. Im Sinne ihres erfolgreichen Bestehens kann hier durchaus von der agilen Organisation gesprochen werden.

Auf den zweiten Blick differenziert sich Agilität innerhalb der Organisation. Wir alle kennen Bereiche in Organisationen, die alles andere als agil sind. Strukturen, Muster, Kultur erscheinen eingefroren wie im Dornröschenschlaf. Aussagen wie "Historisch gewachsen", "Bei uns machen wir das immer schon so!" oder "Die Chefs kommen und gehen, aber wir sind auch übermorgen noch hier", sind Ausdruck dieser Unbeweglichkeit. Nun muss nicht jeder Bereich gleich agil werden oder sein. Dennoch erleben wir in unserer Beratungspraxis - und auch bei den Recherchen zu unserer Studie war das nicht anders - dass wir in einer Zeit leben, in der sich auch innerhalb der Organisationen Grenzen verschieben und bisherige Gewissheiten zur Disposition stehen. Es werden zum Beispiel bei Digitalisierungs- oder innovativen Kundenprojekten Maßnahmen ins Leben gerufen, die quer durch die Organisation besetzt und mit Hilfe agiler Methoden umgesetzt werden.

Wo ansetzen?

Wie kann es nun gelingen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter all dieser verschiedenen Kulturen, mit ihren Geschichten und eingeübten Mustern zusammen zu bringen und erfolgreich werden zu lassen?

Einige dieser Erfolgskriterien haben wir im Zusammenhang mit unserer Studie identifizieren können:

Attraktivität: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch Führungskräfte haben es meist als bereichernd empfunden, in agilen Kontexten und mit agilen Methoden zu arbeiten. Die Zusammensetzung der Gruppen aus motivierten, experimentierfreudigen Kolleginnen und Kollegen wurde als bereichernd sowohl für die Maßnahme selbst, als auch für die Organisation wahrgenommen. So konnten neue Rollen wie Product Owner oder Scrum Master erprobt werden. Zudem eröffnete ein konsequenter Blick aus der Kundenperspektive eine selbstkritische Sicht auf das eigene bisherige Tun.

Schneller Nutzen: Durch das Prinzip des "fail fast" und der toleranten Fehlerkultur agiler Methoden konnte relativ schnell Nutzen für die Organisation gestiftet werden. Ergebnisse, die in der Hierarchie nicht so schnell und nicht in der Güte realisiert werden konnten, wurden deutlich schneller umgesetzt als es in herkömmlichen Funktionen oder Prozessen möglich gewesen wäre.

Gemeinsames Lernen: Von Beginn an setzten erfolgreiche agile Initiativen auf ein experimentelles und hierarchieübergreifendes Lernen in engen iterativen Schleifen. Als besonders produktiv erwies sich dabei, das Thema Agilität mit starker unternehmensspezifischer Färbung gemeinsam zu entwickeln, die Methoden zu evaluieren und gemeinsam zu erproben.

Literatur:

Kühne, Hendrikje; Riemer, Nicole; Hahn, Anna-Lena: "Agilität als Antwort!" unveröffentlichte osb-i Studie vom Mai 2017
Baecker, Dirk: "Dirk Baecker beobachtet die Organisation im Wandel" Interview mit Dirk Baecker, in ZOE, Zeitschrift für Organisationsentwicklung, Ausgabe Mai, 2016
Kühl, Stefan: "Die agile Organisation ist kalter Kaffee" Interview mit Stefan Kühl, in: Human Resources Manager, Januar 2017

 

 

 

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