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18. Juli 23

Die Kunst der Krisenbewältigung durch Resilienz und Antifragilität

Krisen sind per Definition etwas Bedrohliches daher haben wir das Gefühl, dass in Krisen alles schlimmer ist, als es jemals war. Sie gehen mit massiven Problemen in unserem Umfeld einher, von denen wir den Eindruck haben, dass sie eine gewisse Schwelle überschreiten. Wir wissen nicht genau wie sie entstanden sind, wir wissen nicht genau wie sie zu bearbeiten sind, aber wir fühlen ganz klar, wenn wir nicht bald eine Lösung finden, dann passiert etwas ganz Schreckliches. Krisen sind zeit- und standortgebunden und grundsätzlich ergebnisoffen.

Das Besondere an unserer Zeit ist die Tatsache, dass wir mit sehr großen Krisen konfrontiert sind, die die grundlegenden Strukturen unserer Ordnungssysteme erschüttern. Zusätzlich zu aktuellen Krisen wurde in den vergangenen Jahren keine der aufgetretenen Krisen vollständig bewältigt, stattdessen kamen immer wieder neue hinzu.Wir bezeichnen dies auch als Polykrise oder Kriseninterdependenz. Dieser Zustand zeichnet unsere Gegenwart aus.

Kernmerkmale von Krisen sind Ohnmacht, Hilflosigkeit sowie Schuldzuweisung und Verantwortungsablehnung. Die Suche nach einer neuen Sicherheit steht im Vordergrund. Die Chance, die in der Krise liegt, wird erst im Rückblick erkannt. Gleichzeitig entwickelt sich eine Krisenroutine. Wir werten unsere Erfahrungen aus, entwickeln neue Automatismen und lernen mit den Dynamiken von Krisen zu leben. Dabei werden alte Krisen von neuen überlagert.  

Aber was heißt das für Organisationen? Wie können sie den Umgang mit Krisen erlernen? Wie Resilienz entwickeln?

Organisationale Resilienz bezieht sich darauf, wie gut eine Organisation in der Lage ist, sich an Veränderungen anzupassen, widerstandsfähig zu bleiben und aus Rückschlägen zu lernen. Das Konzept der antifragilen Organisation, das von Karl Weick und Kathleen Sutcliffe inspiriert und von Nasim Taleb in seinem Buch ausführlich exploriert wurde, geht über die einfache Fähigkeit zur Störungsbewältigung hinaus. Antifragilität bedeutet vielmehr, dass die Organisation nicht nur in der Lage ist, mit Störungen umzugehen, sondern sogar davon profitieren kann. Solche Organisationen erkennen an, dass Unsicherheit und Fehler unausweichlich sind. Sie nutzen sie als Chance zum Lernen und zur Verbesserung. Ein Geschäftsführer eines deutschen mittelständischen Unternehmens in einem hoch disruptiven Umfeld beschreibt dies in einem Dialog mit uns als "schöpferische Zerstörung". Im Gegensatz zur Robustheit, die sich darauf konzentriert, Herausforderungen zu bewältigen, umfasst Resilienz auch das Potenzial für Anpassung und Transformation. Resilienz bedeutet hier nicht einfach die Rückkehr zum Ausgangspunkt, sondern vielmehr die Fähigkeit einer Organisation, Störungen zu bewältigen und sich anzupassen. Das heißt, das Unternehmen lernt die permanente Veränderung. "Mut zur Veränderung muss ein Spiel sein, in dem man als Mitarbeiter*in nur gewinnen kann."

Um Krisen optimal nutzen zu können, muss eine Organisation bestimmte Fähigkeiten entwickeln. Paradoxiemanagement ist dabei ein wichtiges Thema, da es eine Kernfähigkeit einer resilienten Organisation darstellt. Darüber hinaus erfordert Resilienz das Denken in Szenarien und die Unterscheidung zwischen Orientierungswissen und Handlungswissen. Während wir aus vergangenen Krisen Orientierungswissen ableiten können, um uns auf zukünftige Krisen vorzubereiten, müssen wir für jede neue Krise spezifisches Handlungswissen erwerben. Dennoch können wir bestimmte Techniken lernen, die uns dabei helfen, uns auf neue Krisen anzupassen. Es ist wichtig, generelle Fähigkeiten im Umgang mit Krisen zu üben, anstatt spezifisch auf eine bestimmte Krise vorbereitet zu sein, da die nächste Krise mit hoher Wahrscheinlichkeit anders sein wird. Die Bewältigung von Krisen erfordert Multidisziplinarität, um schnell die richtigen Personen und Ressourcen zusammenzubringen.

Die Entscheidung wieviel in die Resilienz einer Organisation investiert werden soll, ist eine Abwägungsfrage. Es geht darum, welches Risiko beziehungsweise welche Kosten wir bereit sind zu tragen. Eine resiliente Organisation erfordert angemessene Ressourcen. Die Kosten für den Aufbau einer resilienten Organisation fallen sofort an, während das Risiko in einer ungewissen Zukunft liegt. Mit einer zunehmenden Anzahl von Krisen werden wir vermutlich resilienter, da wir bereit sind, mehr Geld und Ressourcen zu investieren, um unsere Organisation antifragil zu gestalten. Im Gegensatz zu Individuen, die oft Schwierigkeiten haben, ihr Verhalten zu ändern, sind Organisationen tatsächlich lernfähig. Der Investitionsaufwand lohnt sich.

"Das Hamsterrad des auf alle einströmenden Tagesgeschäfts verhindert jede Innovation – wir nehmen Leute da heraus, setzen sie zu eigenen Teams zusammen und schützen sie, damit sie ungestört entwickeln können und nicht zum Überlaufbecken für andere Abteilungen werden."

Eine Organisation, die responsiv und antifragil ist, verfügt über eine adaptive Kultur und eine ambidextre Ausrichtung. In einer sich ständig verändernden und unsicheren Umgebung hat sie gute Aussichten, erfolgreich zu sein. Indem Organisationen diese Konzepte verstehen und umsetzen, können sie sich besser anpassen und langfristig erfolgreich sein. Anstatt Instabilitäten als unvermeidbar anzuerkennen, werden sie produktiv genutzt, da sie Anpassungsprozesse erfordern und somit die Kompetenz fördern.

Organisationen können sich dauerhaft an extreme Turbulenzen anpassen, indem sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beharrungs- und Veränderungsimpulsen entwickeln. Resilientes Denken kann dabei helfen, diese Anpassungsfähigkeit zu unterstützen. Drei Faktoren spielen dabei eine Rolle: Diversität, modulare Systeme und Feedback. Diversität in einem sozialökologischen System bietet mehr Optionen und erhöht die Überlebensfähigkeit bei Schockereignissen. Durch modulare Systeme, bei denen Komponenten lose gekoppelt sind, können Störungen abgefedert und Ausfälle kompensiert werden. Feedback ermöglicht es einem System Veränderungen wahrzunehmen und schnell zu reagieren. Diese drei Faktoren erhöhen die Flexibilität, Responsivität und Lernfähigkeit von Organisationen, insbesondere im Umgang mit unvorhersehbaren und disruptiven Veränderungen.

Quellenangaben:

Ulrich Bröckling: Gute Hirten führen sanft

Nassim N. Taleb: Antifragile

K.E. Weick, M. Suthcliff: Das Unerwartete managen

HEiKA-Symposium "Gesellschaftliche Transformationen in Krisen und Pandemien"

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