Kontakt
logo

22. Dezember 14

Die Unsortiertheit moderner Organisationen in der »Welt nach Mitternacht«

Wer am südschwedischen Kullaberg / Öresund das Kunstprojekt "Nimis" von Lars Vilks besucht, wird prompt mit einem Wirrwarr von Gängen und Stiegen eines evolutionär gewachsenen Holzschlosses konfrontiert. Kinder finden sich spontan in dem Bauwerk zurecht. Erwachsene fremdeln zunächst. Eine Metapher für die Unsortiertheit heutiger Organisationen!? Viele organisationale Bestandteile scheinen zunächst unverbunden, hängen aber bei genauerem Hinsehen zusammen und sind auch auf ihre jeweils spezifische Art und Weise funktional – die Frage ist, wofür?

Auch wir Berater beobachten in unserer Praxis eine zunehmende Asynchronität des Implementierens neuer Ablauf- und Aufbaulogiken einerseits und des Mitnehmens derer, die sich in ihnen bewegen sollen andererseits. Schließlich sollen Führungskräfte und Mitarbeiter diese teils widersprüchlichen Logiken in wertschöpfendes Handeln transformieren. Nun mag man genau dieses als die eigentliche Funktion von Führung postulieren: Das Gestalten von Paradoxien und Unvereinbarkeiten. Die folgenden Beobachtungen machen das Geschehen aber auch aus einer Change Perspektive interessant:

  • Viele organisationale Steuerungslogiken liegen wie unterschiedliche Layer übereinander, ihre Verbindung bleibt aber selbst den für die Implementierung verantwortlichen Entscheidungsträgern ein Rätsel.

  • Oft leiden organisationale Veränderungsvorhaben im Rahmen der Einführung Cross-funktionaler Rollen, Lean, Prozessmanagement, etc. unter einer viel zu ambitionierten Planung, die auch im Verlauf nicht korrigiert wird.

  • Durch ambitionierte Initiativen zur übergreifenden Projektarbeit werden nicht selten parallele Quasi-Machtstrukturen ohne Weisungsbefugnis implementiert, Für die operativen Bereiche erhöht sich die Steuerungskomplexität, gleichzeitig verlieren sie an Ressourcen.

  • Die Protagonisten in den übergreifenden Rollen, wie z.B. Prozessmanager und Projektleiter und deren Motivation / Potentiale werden "verbrannt", Karriereversprechen werden nicht realisiert, so werden z.T. große Budgets gewährt, aber die ambitionierten Player von der etablierten Hierarchie allein gelassen.

Unterm Strich bleibt festzustellen: Organisationen und ihre Mitglieder sind zunehmend erschöpft durch die Vielzahl paralleler Steuerungslogiken und ihrer Verknüpfungsnotwendigkeiten.

Hinzu kommen die enormen Beschleunigungskräfte der Digitalisierung, die die organisationale Komplexität zusätzlich treiben. Niemand erklärt diesen radikalen Wandel moderner Organisationen durch jene  Kräfte so unterhaltsam, wie Dr. Eddie Obeng in seinem TED-Beitrag "Small Failiure for a fast-changing World". Er benutzt dafür die Metapher der "World after Midnight" – Um Mitternacht hätten sich die Regeln wie die Welt funktioniert, grundlegend verändert: Die Geschwindigkeit, die Skala und die Dichte von Interaktionen nehme unaufhörlich zu, aber die Meisten von uns hätten geschlafen und es immer noch nicht gemerkt: Die Innovationskurve steigt exponentiell an aber weder gesellschaftliches, organisationales und persönliches Lernen können ihr folgen.

Unsere Hypothese: Das Gesamtzusammenspiel organisationaler Steuerungslogiken und ihrer Akteure wird in der Change Implementierung neuer zusätzlicher übergreifender Strukturen zu wenig beachtet. Durch diese "Ausblendung"wird Komplexität reduziert. Im operativen Alltag gelingt dann allerdings keine befriedigende Konsolidierung, weil die vorher verdrängte Komplexität explodiert.

Wir wollen diesen Fragen der Synchronisation verschiedener Steuerungsmechanismen in Organisationen im neuen Jahr nun verstärkt nachgehen, um einerseits die Wirkfaktoren und Randbedingungen erfolgreicher Implementierungen noch besser zu verstehen, als auch eine attraktive Sammlung von Best Practices zur Verfügung stellen zu können. Daher werden uns in 2015 folgende Fragen beschäftigen:

  • Wie werden heute Cross-funktionale Verantwortlichkeiten in Unternehmen implementiert und wie entsteht dabei ein funktionierendes Zusammenspiel bzw. eine akzeptierte Governance?
  • Welche Best-Practice Ansätze gibt es, um das bisherige (häufig funktionale) Mind-Set aufzulösen bzw. zu ergänzen und unter welchen Bedingungen werden diese Wege wirksam?

Wir möchten Sie einladen, sich mit uns 2015 dazu auf den Weg zu machen. Folgen Sie unserem Blog. Ich wünsche Ihnen ein schönes neues Jahr!

Mehr zum Thema

  • 16. Juli 24 ─ Lesezeit: 8 Min.
    Prof. Dr. Thomas Schumacher

    Aufbruch in die digitale Zukunft des Universitätsspitals Zürich

    von Rolf Curschellas (Direktor HRM bei Universitätsspital Zürich) und Thomas Schumacher (osb…

  • 16. Juli 24 ─ Lesezeit: 5 Min.
    Dr. Jutta Bison
    Dr. Thomas Neuber
    Gina Rüther

    Wege aus dem (multi-initiativen) Transformationsdschungel

    Manchmal ist sie unausweichlich: Die große Transformation, in der eine Vielzahl von…

  • 08. Januar 07 ─ Lesezeit: 1 Min.
    Margit Oswald

    Veränderung in Organisationen

    Organisationen sind heute mehr denn je in Bewegung. Der allgemeine, von außen wie von innen…

  • 08. Januar 07 ─ Lesezeit: 1 Min.
    Prof. Dr. Thomas Schumacher

    Identität oder strategischer Wandel

    Dr. Thomas Schumacher gibt in diesem Buch eine systemische Perspektive auf organisationale…