Kontakt
logo

15. Juli 15

Eigentlich war es uns klar - eine Spurensuche nach frühen Hinweisen für den M&A Erfolg

Angeregt durch Erfahrungen aus erlebten Unternehmenskäufen sind Fabian Ziebell, Udo Kronshage und Dr. Thomas Neuber Hinweisen nachgegangen, wie die Erfolgschancen von Unternehmenskäufen verbessert werden können.

Ein hochrangiger Manager der Energiebranche berichtete in einem Meeting eher nebenbei von Unternehmenskäufen, die nach einiger Zeit sehr bedauert wurden. In einem Nebensatz merkte er an, dass man es "eigentlich schon gewusst hatte". Hellhörig geworden stellten wir in der Folge fest, dass viele erfahrene Manager ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Damit war klar, dass eine Spurensuche nach frühzeitigen Hinweisen auf den M&A-Erfolg lohnend sein könnte!

Seit mehr als 30 Jahren wird intensiv zum Thema Unternehmenszusammenschlüsse geforscht. Dabei konnten zahlreiche Erfolgsfaktoren ausgemacht werden, die zum Großteil in der Post-Merger-Phase liegen. Überraschend ist jedoch, dass trotz aller Erkenntnisse weiterhin über die Hälfte aller Unternehmenszusammenschlüsse wirtschaftlich ein Verlustgeschäft sind.

Vor diesem Hintergrund liegt die Frage nahe, ob bereits in der Pre-Merger- und der Transaktionsphase Chancen und Risiken für den langfristigen Merger-Erfolg wahrnehmbar sind. Wenn für Käuferunternehmen frühzeitig erkennbar ist, welche Entwicklungsschritte vorgebahnt werden sollten, so die Vermutung, könnten die Reaktionsmöglichkeiten in M&A-Projekten deutlich verbessert werden.

Ablauf eines typischen M&A-Prozesses

 

Einen für unsere Frage interessanten und bereits im Management weit verbreiteten Ansatz haben wir im "Konzept der schwachen Signale" von Igor Ansoff (1975) gesehen. Dieser besagt, dass Diskontinuitäten nicht plötzlich und unerwartet auftreten, sondern dass jedes Ereignis eine Entwicklungsgeschichte hat und sich durch Vorläuferereignisse - sogenannte schwache Signale - ankündigt. Schwache Signale sind unstrukturierte und qualitative Informationen, die zum Zeitpunkt ihres Auftretens schwer zu interpretieren sind. Können also schwache Signale bei M&A zur besseren Entscheidungsfindung genutzt werden? Dazu hat Karl Weick (2010) Achtsamkeit als zentrale Kompetenz beschrieben, um mithilfe schwacher Signale Risiken zu mindern.

Studie: Schwache Signale in der Pre-Merger-Phase von M&A-Prozessen als frühe Anzeichen für den M&A-Erfolg

Inspiriert von dieser Idee haben wir im Rahmen einer empirischen Studie* Manager befragt, die in der Pre-Merger- und Transaktionsphase von M&A-Prozessen in unterschiedlichen Funktionen beteiligt waren. Mithilfe der qualitativen Interviews konnten wir zahlreiche schwache Signale ermitteln, die nahezu über den gesamten Zeitraum vor Kaufabschluss aufgetreten sind, jedoch fast immer unberücksichtigt geblieben waren. Die erfassten Signale lassen sich in einen Zusammenhang bringen mit der wirtschaftlichen Logik von M&A-Vorhaben, mit der konkreten Projektdurchführung (Prozesslogik) sowie mit Phänomenen, die in den Sozialsystemen beteiligter Organisationen aufgetreten sind. So haben befragte Manager z.B. fehlende Kaufbegründungen oder kurzfristige Strategieänderungen im Nachhinein (!) als erste Hinweise für unklare Zielsetzungen des Unternehmenskaufs wahrgenommen, die den Annäherungsprozess erschwert haben. Auch wurden z.B. emotionale Dynamiken wie eine große Euphorie vor Kaufabschluss später als frühe Anzeichen für zu gering bewertete Risiken im weiteren Projektverlauf neu interpretiert.

Themenfelder schwacher Signale in der Pre-Merger- und Transaktionsphase von M&A mit ersten Beobachtungsfragen

Was bedeuten diese Erkenntnisse für M&A-Projekte? Zunächst gilt weiter, dass es durchaus richtig sein kann, schwache Signale unberücksichtigt zu lassen, da sonst kaum noch riskante Entscheidungen getroffen würden, die jedoch notwendiger Teil unternehmerischen Handelns sind. Allerdings könnte eine verstärkte Achtsamkeit gegenüber schwachen Signalen in diesen Perspektiven und dieser Phase wichtige Hinweise für den M&A-Erfolg liefern. Die Erfahrungen der Manager sprechen für eine regelmäßige Selbstbeobachtung des Käufers und eine erhöhte Aufmerksamkeit für intuitive Erkenntnisse in der Pre-Merger-Phase!

Daneben dürfte die generelle Merger-Fitness maßgeblich zum Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen beitragen. Ziel muss es sein, sich frühzeitig und vorausschauend mit den zu erwartenden Turbulenzen im M&A-Prozess auseinanderzusetzen. Anhand der folgenden sieben organisationalen Begegnungsebenen wird eine Einschätzung vorgenommen, wie "fit" ein Käuferunternehmen für einen Unternehmenszusammenschluss ist:

  1. 1.Unternehmensstrategie
  2. 2.Unternehmenssteuerung
  3. 3.Aufbauorganisation
  4. 4.Geschäftsprozesse
  5. 5.Personalressourcen
  6. 6.Umfeld
  7. 7.Werte- und Identitätsbeschreibung

Sehen Führungskräfte des Käufers z.B. deutliche Schwächen in ihren Geschäftsprozessen, ist zu erwarten, dass die Bewältigung der Post-Merger-Integration komplexer wird. Ein besonderes Spannungsfeld entsteht, wenn sich das Kaufobjekt gut aufgestellt erlebt, sich im Merger aber (wie oft) trotzdem den Käuferprozessen anpassen soll. Die dabei entstehende Mischung aus Abwehr, Kränkung und Druckaufbau wirkt destruktiv über lange Strecken des PMI-Prozesses. Um diese Folgewirkungen gering zu halten, sollte in einer Pre-Merger-Diagnose die Fitness des Käufers (auch unabhängig vom Kaufobjekt) erfasst werden. Damit bliebe mehr Spielraum zur Vorbereitung auf einen erfolgreichen Unternehmenskauf.

Letztlich wissen Käuferunternehmen immer erst nach einiger Zeit, ob sie die "richtige" Entscheidung getroffen haben. Aber sowohl der wachsame Umgang mit Frühwarnsignalen als auch ein "Fitness-Programm" können dazu beitragen, den Mergerprozess bewusster anzugehen sowie erfolgsrelevante Aspekte im Blick zu behalten und wiederkehrend zu bearbeiten. Langfristig wird dadurch auch die Fähigkeit zur vorausschauenden Selbsterneuerung in der Organisation gestärkt.

Literatur / Quelle:

Ansoff, H. I.: Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals. California Management Review, 18(2), 1975

Weick, K. E., & Sutcliffe, K. M.: Das Unerwartete managen. Wie Unternehmen aus Extremsituationen lernen. Stuttgart, Schäffer-Poeschel, 2010

* Weitere Informationen zur Studie "Schwache Signale in der Pre-Merger-Phase von M&A-Prozessen als frühe Anzeichen für den M&A-Erfolg (2014)" erhalten Sie bei Fabian Ziebell.

Mehr zum Thema

  • 04. Juni 15 ─ Lesezeit: 4 Min.
    Dr. Thomas Neuber

    Hoher Preis beim Unternehmenskauf? Ist doch logisch!

    Im Rahmen der Expansionsstrategie eines größeren Energieunternehmens wurde in zähen Verhandlungen…

  • 04. Mai 15 ─ Lesezeit: 3 Min.
    Udo Kronshage

    Schlanke Entscheidungsstrukturen als Teil der Merger-Fitness

    Stephan A. Jansen und Klaus Körner haben schon vor bald 15 Jahren in umfangreichen Studien belegt,…

  • 14. April 20 ─ Lesezeit: 3 Min.
    Maik Arensmann
    Dr. Katrin Glatzel

    Virtuelle Kollaboration kann mehr!

    Virtuelle Kollaboration kann mehr als wir noch vor drei Wochen für möglich gehalten hätten. Sie…

  • 17. April 14 ─ Lesezeit: 1 Min.
    Prof. Dr. Thomas Schumacher

    Schicksal Branche?

    Aufstieg und Fall der Unternehmen im Branchenkontext Auch Branchen unterliegen Lebenszyklen. Sie…