17. Oktober 23
Es gibt sie, die gut geführten Changes
Applaus für 3 Good-Practice Beispiele aus der Praxis
70 % der Changes gelingen nicht – aus unterschiedlichen Gründen und oft, weil sie von den führenden Kräften nicht gemeinsam getragen und vorangebracht wurden. Dieser Artikel soll die guten Beispiele für kleine, aber wirksame Quick-Wins von gut geführten und daher erfolgreichen Changes vor den Vorhang bitten.
Case 1: Raus aus der Ohnmacht – proaktive Führung funktioniert selbst in vom Headquarter verordneten Changes
Ein globaler Konzern plante eine große weltweite Transformation, die vom Headquarter aus initiiert wurde. Einige Führungskräfte im oberen Management waren in Teilprojekten teilweise involviert und erkannten die Dimension der Veränderung und die Verunsicherungsgefahr für den Standort. Der Termin der Verkündung stand fest. Das obere Management des Standortes erarbeitete vorweg miteinander zentrale Botschaften zur Transformation (soweit diese bis dahin bekannt waren) und formulierte, welche Chancen der Standort hier nutzen könnte.
Wichtig war insbesondere in dieser unsicheren Phase keine Expert*innen zu verlieren. Einige Tage vor dem Verkündungstermin des Headquarters wurden die führenden Kräfte aller Ebenen des gesamten Standortes zu einem Meeting zusammengeholt und die Botschaften zur Transformation und die Auswirkungen auf den Standort mit ihnen besprochen. Damit hatten die Teamleiter*innen die Möglichkeit, sich vorab mit der Veränderung auseinanderzusetzen und bei der Bekanntgabe bereits aus einer Führungsrolle zu gestalten, auch wenn die Details der Transformation gerade erst klar wurden. Vor allem aber wurde mit den Teamleiter*innen besprochen, dass diese sofort im Anschluss an die offizielle Verkündung mit den Mitarbeiter*innen Besprechungen organisieren sollten, um Unsicherheiten aufzufangen und Schlüsselkräfte zu binden.
Case 2: Die Kraft der abgestimmten Botschaften – "Aligned" bedeutet nicht "Message Control"
Ein internationales weltweites Führungsmeeting eines Geschäftsbereichs: Ein Change stand vor der Tür, der die einzelnen Standorte auf unterschiedliche Weise betraf. Am letzten Nachmittag des Workshops – die Maßnahmen und nächsten Schritte standen schon fest – hatten die Führungskräfte Zeit, miteinander die zentralen Botschaften zu erarbeiten. Und zwar zunächst in den Standorten: "Was sagen wir konkret am Montag, wenn wir alle wieder zurück an unseren Arbeitsplätzen sind, unseren Direct Reports bzw. Mitarbeiter*innen zum Change und den geplanten Maßnahmen?"
In einer weiteren Runde wurden diese Botschaften im Standort durch mögliche kritische Fragen der Mitarbeiter*innen auf den Prüfstand gestellt und schließlich in den standortübergreifenden Funktionsgruppen ausgetauscht und aufeinander bezogen. Dabei ging es nicht darum, dieselben Worte oder Aussagen zu nutzen, sondern erklären zu können, warum bestimmte Themen an einem anderen Standort und in einem anderen Team unterschiedlich gehandhabt wurden und wie dies dennoch auf die gemeinsamen Ziele einzahlt.
Die Führungskräfte beschrieben sich als wesentlich besser gerüstet, den Change zu führen und stellten sich die Frage, wieso ihre internationalen Führungs-Workshops bisher mit dem Maßnahmen-Plan geendet hatten, ohne sich Überlegungen zu einer gemeinsamen, kohärenten und sinnstiftenden Erzählung zu machen?
Case 3: Hände weg von Allgemeinplätzen und Worthülsen – es braucht inhaltlich fundierte, persönlich sortierte und zieldienliche Botschaften
Oft sind in den Changes Begriffe verpackt, die Führungskräfte nötigen, irgendwelche Botschaften dazu zu formulieren. Ein Beispiel dafür ist der Begriff "Fehlerkultur", der häufig zu Aussagen wie "Je mehr Fehler, desto besser", "Fail fast", "Kultur lässt sich nicht beeinflussen" etc. verleitet. Solche unabgestimmten und widersprüchlichen Botschaften erzeugen oft Irritation bei Mitarbeiter*innen und diskreditieren die Zielsetzungen.
Eine Organisation, die sich einer sehr ausführlichen und vorausschauenden Selbsterneuerung unterzog, ermöglichte es ihren Führungskräften, sich durch gemeinsame Landkarten zu zentralen Begriffen fundierte und qualifizierte Überlegungen zu machen. In halbtägigen Change-Sprints wurde im Laufe des Changes auf jeder Führungsebene zu den jeweiligen zentralen Begriffen und Themen gearbeitet. Auf diese Weise konnten die Führungskräfte nicht nur change-fitter, sondern auch sinnstiftend aussagefähig werden.
Bezugnehmend auf den Begriff "Fehlerkultur" wurde definiert, was Fehler in der existierenden Exzellenz-Kultur bedeuten, welche Prozesse möglichst fehlerfrei bleiben mussten und wie sichergestellt werden konnte, dass in den Kernprozessen während des Changes möglichst wenig Fehler passieren – und wenn doch, wie rasch darauf reagiert werden konnte. Gleichzeitig wurde festgelegt, an welchen Stellen im Change bewusst experimentiert werden sollte und wie dieses Ausprobieren möglichst professionalisiert werden konnte. So wurde zum Beispiel bestimmt, unter welchen Rahmenbedingungen das Ausprobieren stattfinden sollte. Durch eine regelmäßige fundierte Auswertung und Retrospektive wurde entschieden, ob das Experiment gelungen war, verbessert werden sollte oder eingestellt werden musste und warum. So konnte nicht nur die Change-Fitness der Führungskräfte gesteigert werden, sondern auch die Maßnahmen zur Fehler- und Experimentierkultur verbessert werden.