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17. Oktober 23

Führung in der Wissenschaft heute und morgen

– Stiefkind oder "Rising hot topic"?

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war Führung in der Wissenschaft ein Thema, das keinerlei gezielte Beachtung erfuhr, sondern "einfach so passierte". Wer ab einem gewissen Karrierestadium Mitarbeiter*innen hatte, der "führte halt irgendwie" – was im Kern bedeutete, die Mitarbeiter*innen im Sinne des wissenschaftlichen Erfolgs bestmöglich einzusetzen. Die Frage nach dem "Wie?", geschweige denn nach einem "Wie besser?", stellte sich nicht. Eine wesentliche Ursache hierfür ist Beobachter*innen des Wissenschaftssystems schon seit geraumer Zeit bekannt: Im Vordergrund steht die fachliche Expertise, nicht die Führung. Auch heute gewinnt man in vielen Fällen immer noch den Eindruck, dass Führung für wissenschaftliche Führungskräfte ein "Stiefkind" ist. Die Führungskarriere an sich stellt in der Wissenschaft keinen erstrebenswerten Karrierepfad dar: "Man geht nicht in die Wissenschaft, weil man eine Führungskarriere anstrebt, sondern weil man einen Forschertrieb hat", (Stefanie Molthagen-Schnöring, HTW Berlin).

Andererseits entsteht ein immer breiteres Bewusstsein dafür, dass erfolgreiche Wissenschaft auch professionelle Führung braucht. Fachliche Expertise allein reicht nicht aus, etwa wenn es um gelingende Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen oder auch um erfolgreiche individuelle Wissenschaftskarrieren geht. Diese Einsichten setzen sich sukzessive durch, und sie werden insbesondere durch Druck von außen, z.B. in Form von Exzellenzinitiativen oder gezieltem Qualitätsmanagement, befördert.

Hinzu kommt die zunehmende Komplexität wissenschaftlicher Fragestellungen sowie eine Förderpraxis, die auf die Erforschung der großen, sichtbaren gesellschaftlichen Herausforderungen abzielt. Wissenschaftler*innen sehen sich immer häufiger "gezwungen", in Teams und Kooperationsprojekten zusammenzuarbeiten.

Ergänzend dazu fordern junge Wissenschaftler*innen vermehrt eine aktive Führung und Begleitung bei der Arbeit bzw. in der eigenen Karriereentwicklung ein, z.B. in der Promotions- oder Postdoc-Phase. "Das alte wissenschaftliche Führungsbild, bei dem die Person leitet, die die größte wissenschaftliche Erfahrung hat, wird immer weniger akzeptiert", (Carsten Hucho, Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik). Jungwissenschaftler*innen sind diesbezüglich weniger zurückhaltend und ordnen sich nicht mehr automatisch unter wie frühere Generationen von Wissenschaftler*innen.

Nicht zuletzt führen Einrichtungen für Nachwuchswissenschaftler*innen wie Graduiertenkollegs, PhD-Programme, Mentoring- und Qualifizierungsangebote etc. dazu, dass innerhalb von Wissenschaftsorganisationen und auch zwischen diesen Organisationen in unterschiedlichen Gruppierungen explizit auch über Führung und Zusammenarbeit gesprochen und ein Vergleich möglich wird. Wir selbst dürfen seit Jahren in verschiedenen Formaten mit jungen Wissenschaftler*innen aller Disziplinen an ihren Führungsherausforderungen arbeiten und einen Beitrag zur Entwicklung eines expliziten Bewusstseins für das Thema Führung leisten (z.B. GSO Leadership Academy, DPG Leading for Tomorrow).

In Summe führen diese Entwicklungen dazu, dass die Erwartungen an gute Führung steigen – die Auseinandersetzung mit Führungsthemen wird zu einem "Rising hot topic".

Allerdings ist diese Entwicklung kein Selbstläufer, sondern benötigt Durchhaltevermögen und einen langen Atem: "Man darf es aber auch nicht als Automa­tismus sehen, dass die Leute, die heute im Alter von 30 bis 45 sind und an sich arbeiten, dass die das dann auch mit nach oben tragen. Das muss man dauer­haft kultivieren, fördern und for­dern. Die Leute da in der Reflexi­on zu halten ist eine große Herausforderung. Dafür muss es institutionelle Anreizsysteme geben. Wissenschaft ist extrem peer­getrieben, und unsere Währung ist nicht Geld, sondern Reputation. Es müsste also reputationsförderlich sein, an Füh­rungsseminaren teilzunehmen, und man bräuchte eine Kultur, eine Community, die positiv über die Akademien und Führungs­ausbildung spricht und zu der man dazugehören möchte", (Dr. Martin Mann, Bundespräsidialamt).

Die komplette osb-i Studie zum Thema "Leadership in Science" zum Download 

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