15. Dezember 20
Im Maschinenraum des Digitalzeitalters
Wie man Prozesse der Hochschulverwaltung digitalisiert
Beim Thema Digitale Transformation denken wir häufig an eine "glitzernde Welt" aus smarten Start-ups, innovativen Apps und maßgeschneiderten Angeboten im Internet, aber auch an Disruption, Geschäftsmodellinnovation etc. Für viele etablierte Organisationen ist die Digitalisierung vor allem eines: Der Transfer von bisher Analogem in künftig Digitales. Von einem interessanten Fallbeispiel auf Hochschulebene wollen wir hier berichten.
Die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse war Gegenstand einer jüngst von uns begleiteten Führungsklausur des Verwaltungsbereichs der Universität Siegen. Im Mittelpunkt der vom Kanzler einberufenen Veranstaltung mit knapp 40 teilnehmenden Führungskräften stand ein Lessons learned-Prozess: Drei ausgewählte Digitalisierungsprojekte - zu den Themen Campus-Management, Mitarbeiter*innenrekrutierung und Rechnungslegung - sollten rückwärtig ausgewertet werden im Hinblick auf die Frage "Wie gut gelingt es uns, Digitalisierungsprojekte an der Universität gemeinsam umzusetzen?". Dabei bildeten die Aspekte des Projektmanagements sowie des begleitenden Change Managements die Schwerpunkte der Betrachtung.
Projektübergreifend zeigten sich einige charakteristische Muster, wie Digitalisierungsprojekte durch den Verwaltungsbereich bislang gemanagt und an der Universität implementiert worden sind:
- Einzelne Personen - zumeist Projektverantwortliche oder Mitglieder des Projektteams - spielen für den Projekterfolg eine zentrale Rolle: Dank des besonderen Engagements dieser Einzelpersonen und ihrer Flexibilität konnten die Projekte häufig ihre Ziele erreichen. Manchmal wurde in den "Task Force-Modus" geswitcht und die Beteiligten mussten zusätzliche Energien mobilisieren. Eng und schwierig wurde es, wenn Schlüsselpersonen aufgrund von Arbeitsplatzwechsel, Krankheit oder Ähnlichem ausfielen.
- Projektmanagement als eigenständige Organisationsform und organisationale Kompetenz ist noch nicht voll entwickelt: Projekte wurden bislang eher fließend zum Tagesgeschäft eingerichtet. Klare Grenzen zur Linienorganisation, eigenständige Rollen und Ressourcen wurden nicht immer vereinbart oder verwischten im Projektverlauf. Auch konnten die Beteiligten nur in begrenztem Maße auf eingeschwungene Strukturen, Regeln und Kompetenzen des Projektmanagements zurückgreifen. Dies erschwerte das eigenständige Arbeiten in Projekten und erforderte an kritischen Stellen immer wieder Eingriffe und Rückendeckung der Dezernenten und des Kanzlers.
- Es kommen überwiegend klassische Formen des Projektmanagements zum Einsatz: Erwartungsgemäß wurde die Digitalisierung von Administrationsprozessen bislang eher klassisch-planorientiert gemanagt. Dies erscheint in vielen Fällen der Natur der Projekte angemessen. Allerdings berichteten einige Projektbeteiligte von sehr schwankenden und sich immer wieder verändernden Rahmenbedingungen - etwa im Bereich der Hochschulgesetzgebung, der zum Einsatz kommenden Software oder der externen Dienstleister. Diese Herausforderungen führten zur Hinterfragung der bisherigen Art des Projektmanagements und in Einzelfällen bereits zu ersten agil-kurzzyklischeren Formen des Arbeitens.
- Ein übergreifendes Programm-Management und Programm Office befindet sich erst im Aufbau: Beim Kanzler wurde zwar bereits eine "Stabsstelle Digitalisierung" zur Koordinierung der Einzelprojekte eingerichtet, übergreifende Prioritätensetzungen, zeitliche und ressourcentechnische Entscheidungen im Sinne eines Programm-Managements gab es bislang jedoch nur wenige. So zeigte sich zuweilen, dass es auf Seiten der internen Kunden (Fakultäten) an Offenheit und Umsetzungskapazität für neue Projekte mangelte, schlichtweg weil zu viel auf einmal auf sie einströmte. Die Führungskräfte der Verwaltung wünschten sich zudem ein Projektmanagement-Office mit unterstützenden Projektmanagement-Ressourcen für Digitalisierungsprojekte.
- Die Change-Kommunikation betont den Handlungsdruck und ist bislang eher zurückhaltend gestaltet: Die Verwaltung hat sich mit ihren Digitalisierungsprojekten zwar gedanklich in den Dienst einer "attraktiven Universität" - für Studierende und als Arbeitgeber - gestellt, dies jedoch nicht proaktiv kommuniziert. Stattdessen standen Dinge wie regulatorische Erfordernisse im Vordergrund, zum Beispiel wenn die digitale Rechnungslegung gesetzlich verpflichtend wird. Hier wurde deutlich: Mit Hilfe eines klaren, attraktiven und mutigen Zielbildes ist kommunikativ noch weitaus mehr möglich. So haben sich die digitalisierten Prozesse nicht zuletzt bereits in der Corona-Krise als äußerst hilfreich für einen reibungslosen Ablauf des gesamten Universitätsbetriebs erwiesen.
Aus diesen Erkenntnissen des Lessons learned-Workshops und passenden osb-i-seitigen Impulsen leiteten die Führungskräfte während der Klausur folgende Aktionspunkte ab:
- engere Verknüpfung und Kommunikation der Digitalisierungsinitiative mit der neuen Universitätsstrategie
- Aufbau eines Programm-Managements und eines PMOs
- Entwicklung gemeinsamer Projekt-Standards sowie den verstärkten und gezielten Einsatz agilen Projektmanagements
Die Auswertung der Projekte an der Universität Siegen hat gezeigt, wie aus der "Arbeit im digitalen Maschinenraum" ein strategischer Eckstein der digitalen Universität von morgen werden kann!