27. November 12
Mission possible! Expatriats brauchen professionelle Unterstützung
"Expatriates" - für die aufnehmende Organisationen sind sie "Impatriates" - werden von ihrem Unternehmen ins Ausland entsandt, um dort eine neue Funktion mit meist speziellem Auftrag einzunehmen. Bei ihren Missionen sind sie fachlich, persönlich und interkulturell mit extremen Anforderungen konfrontiert.
Die Robert Bosch AG in Österreich unterstützt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei mit einem gezielten Programm. Seit vielen Jahren ist Dr. Christiane Müller von osb international im Auftrag von Gundi Vater Consulting beratend mit an Bord. Sie hat die zentralen Herausforderungen hier zusammengefasst und Interviews mit Frau Mag. Hummelbrunner, Personalleiterin Bosch Österreich, die dieses Programm initiiert hat und mit Frau MMag. Braun, zuständige HR Partnerin für International Assignments, geführt.
Neu und fremd
Die zunehmende Globalisierung bringt es mit sich, dass immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen internationalen Standorten wechseln und ihre Kompetenzen und Erfahrungen weltweit einbringen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Führungskräfte, die eine neue Funktion einnehmen, die sie mit neuen Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer meist fremden Sprache und in einem neuen kulturellen Umfeld bewältigen müssen.
Veränderungsvorhaben und neue Standards
Oft haben Expatriates die Aufgabe, Veränderungen umzusetzen, wie etwa eine neue Abteilung aufzubauen, eine Produktionslinie von einem Land zu lernen um sie dann im eigenen Land weiterzuführen etc. Manchmal sind die Aufträge auch inoffizieller Natur, wie zum Beispiel die lokale Unternehmenseinheit an die Headquarterstandards heranzuführen, für bestimmte Vorhaben zu werben etc.
Nicht immer wird man mit offenen Armen aufgenommen
Unabhängig davon, wie der Auftrag lautet, entwickeln die eingesessenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft ihre eigenen Annahmen über die Vorhaben der Expatriates: "Der kommt aus China, vermutlich wird unser Prozess bald dorthin ausgelagert!", "Der war vorher in Singapur, dort haben sie downgesized, nun will er das auch bei uns machen" etc. Sie stellen sich auf eine Führungskraft auf Zeit ein und wahren meist eine kritische Distanz.
Interessenskonflikte stehen an der Tagesordnung
Expatriate-Positionen sind häufig als Brückenfunktionen angelegt, wie zum Beispiel zum eigenen Headquarter ("der österreichische Geschäftsführer in Ungarn"), zur eigenen Fachabteilung ("Technikexpertin aus dem deutschen Headquarter in der polnischen Einheit") oder zu speziellen Kundinnen und Kunden ("der Amerikaner, verantwortlich für amerikanische Kundinnen und Kunden in der indischen Produktionsstätte"). Interessenskonflikte zwischen Units, Abteilungen und Prozessen sind also vorprogrammiert. Als Erklärung dafür werden oft interkulturelle Differenzen vorgeschoben. Jedenfalls muss der/die Expatriate Interessenskonflikte lösen können um in seiner Funktion erfolgreich zu sein. Immer wieder stellen Expatriates vor Ort auch einfach fest, dass die Situation völlig anders ist, als sich das die entsendende Einheit gedacht hat.
Privatleben aufbauen
Neben diesen beruflichen Herausforderungen gilt es innerhalb von kurzer Zeit auch ein privates Leben (wieder)aufzubauen, also Haus und Wohnung einzurichten, Behördengänge zu erledigen etc. Kommt die Familie mit, dann muss für diese ein angemessenes Leben organisiert werden. Für den oder die mitkommende Partnerin oder Partner muss bei Bedarf ein Möglichkeit für die Fortführung von Beruf und Karriere gefunden werden. Bleibt die Familie zu Hause zurück, gilt es, die Einsamkeit zu bewältigen und eine tragfähige Distanzbeziehung zu gestalten.
Kulturschock als körperliche und psychische Stressreaktion
Der permanente Lern- und Anpassungsprozess erzeugt als Überlastungsphänomen fast immer nach einigen Monaten im neuen Land ein Stimmungs- oder Leistungstief, das von der Expatriateforschung unter dem Begriff "Kulturschock" zusammengefasst wird.
Double Careers
Hatte der oder die mitkommende Partnerin oder Partner einen eigenen Beruf und eine eigene Karriere, dann gilt es eine angemessene Form der Weiterentwicklung im neuen Land zu finden.
Professionelle Begleitung zahlt sich aus
Aufgrund dieser Herausforderungen sind die Misserfolgsraten relativ hoch und es ist vielfach schwierig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine Auslandsentsendung zu motivieren. Umso wichtiger ist es, Expatriates professionell zu unterstützen. Denn wenn der Auslandseinsatz gelingt, dann sind neben der Erfüllung des Auftrags die erworbenen Kompetenzen für das Unternehmen Goldes wert: Erfolgreiche Expatriates wissen Interessenskonflikte konstruktiv zu handhaben, sie können sich in einem fremden Umfeld zurechtfinden und auch in unübersichtlichen Situationen ihre Anliegen voranbringen. Sie fungieren meist als Brückenbauerinnen und Brückenbauer und Übersetzerinnen und Übersetzer, die unterschiedliche Logiken zwischen lokalen Einheiten und Headquarter oder einem Auslandsmarkt und der Fachabteilung erklären und konstruktiv verbinden können. Sie lassen sich auch in Stresssituationen nicht aus der Ruhe bringen, denn wer einmal den körperlichen und emotionalen Stress eines Kulturschocks bewältigt hat, dessen Resilienz ist wahrlich gewachsen.
Impatriats-Betreuung bei Robert Bosch AG Österreich
Die Robert Bosch AG in Österreich unterstützt ihre Impatriates und deren Partnerinnen und Partner intensiv. Dr. Christiane Müller von osb international begleitet das Unternehmen dabei im Auftrag von Gundi Vater Consulting seit vielen Jahren. Sie hat zwei verantwortliche HR-Managerinnen von Bosch dazu befragt.
Interview mit Frau Mag. Hummelbrunner, Personalleiterin bei Bosch Österreich und Initiatorin des Expatriate-Programms
Müller: Frau Hummelbrunner, Sie haben seit ca. fast 10 Jahren diese spezielle intensive Begleitung der Expatriates, die zu Bosch in Österreich kommen, initiiert und aufgebaut. Wie sehen Sie den Erfolg dieser Begleitung?
Hummelbrunner: Alle zwei Jahre machen wir eine Zufriedenheitsabfrage, aus der wir erkennen, dass sich unsere Expatriates bei uns wohl fühlen. Zudem sehen wir einerseits, dass sich die Expatriates in ihre neuen beruflichen Aufgaben in Österreich sehr schnell einarbeiten können, da sie von allen administrativen Aufgaben (Umzug, Wohnungssuche, Autoummeldung, behördliche Anmeldung...) entlastet werden. Andererseits erhalten Sie Unterstützung während ihres gesamten Entsendungszeitraumes sowohl bei beruflichen als auch privaten interkulturellen Themen. Generell sind wir regelmäßig in Kontakt mit unseren Impatriates und erhalten dadurch laufend Rückmeldungen.
Müller: Das intensive Training/Coaching spannt den Bogen vom konkreten Business-Case, sprich dem mit dem Auslandsaufenthalt verbundenen Auftrag ("Assignment") bis hin zu persönlichen Themen wie Stressmanagement-Maßnahmen in Kulturschockphasen oder einer guten Balance in Expat-Familien. Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Hebel?
Hummelbrunner: Wenn sich die Familie des Impatriates in Österreich nicht wohlfühlt, dann bedeutet dies enormen Druck auf den/die Mitarbeiterin/Mitarbeiter. Er/sie kann sich nicht gut einleben bzw. einarbeiten. Im schlimmsten Fall gibt er/sie das Assignment auf. Deshalb ist die gute Balance in Expat-Familien der Haupthebel, an dem wir ansetzen müssen.
Müller: Hervorzuheben ist auch, dass Bosch die mitgehenden Partnerinnen und Partner unterstützt, die auch mit ins Coaching kommen...
Hummelbrunner: Für uns ist es sehr wichtig, dass auch die Partnerinnen und Partner auf den neuen Lebensabschnitt in einem neuen Land gut vorbereitet werden. Unabhängig davon ob diese berufstätig sind oder nicht, sind sie in Alltagssituationen anfangs täglich mit neuen kulturellen Herausforderungen konfrontiert. Damit sich Partnerinnen und Partner mit nicht deutscher Muttersprache schneller im täglichen Leben integrieren können, haben sie die Möglichkeit ein Sprachtraining zu besuchen. Die Teilnahme der Partnerinnen und Partner an den interkulturellen Trainings und Sprachtrainings hat für uns einen hohen Stellenwert, denn: fühlt sich der/die Mitarbeiterin/Mitarbeiter mit seiner/ihrer Familie in Österreich sehr gut aufgehoben dann läuft es auch im Job sehr gut!
Müller: Sie sind ja selbst ein gerade von einem Foreign Assignment in Russland zurück - was ist aus Ihrer Erfahrung heraus für Führungskräfte oder HR-Verantwortliche wichtig, die sich mit dem Thema Expatriates befassen...
Hummelbrunner: Wichtig ist die intensive Vorbereitung auf die Rückkehr ins Heimatland. Expatriates sollten darauf vorbereitet werden, dass es bei Ihrer Rückkehr einen Re-Entry-Schock geben kann. Hier benötigen unsere Rückkehrer aktive Begleitung und Unterstützung durch Coaching. Auch die HR-Partnerinnen und Partner und Führungskräfte im Heimatland müssen über das Thema Re-Entry-Shock Bescheid wissen, um hier aktiv Maßnahmen setzen zu können. Wir planen daher in Zukunft das Bewusstsein für dieses Themas bei unseren Führungskräften und HR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schärfen.
Interview mit Frau MMag. Braun, zuständige HR Partnerin International Assignments:
Müller: MMag. Marlene Braun, Sie sind die zuständige HR Partnerin bei derRobert Bosch AG Österreich, die alle hereinkommenden Expats betreut. Was ist das Gesamt-Angebot an Impatriates?
Braun: Bosch bietet den Impatriates ein umfassendes Relocation Service. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden hier bei der Wohnungssuche und behördlichen Anmeldungen sowie bei der Orientierung in der neuen Stadt unterstützt. Darüber hinaus erhält jeder Impatriate mit seinem/r Partnerin und Partner ein interkulturelles Training nach Ankunft in Österreich mit einem/r österreichischen Trainerin/Trainer. Ergänzt wird dieses Angebot durch ein sogenanntes Networking-Meeting, das jährlich von allen Impatriates besucht wird. Hier geht es darum, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedenen Ländern zusammenzuführen, damit sie sich kennenlernen und gegenseitig - bei Bedarf - auch unterstützen können. Zusätzlich haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, Einzelcoachings in Anspruch zu nehmen, um die österreichische Kultur noch besser kennenzulernen. Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Familienangehörige mit nicht deutscher Muttersprache erhalten sowohl vor Anreise als auch nach Ankunft ein intensives Sprachtraining. Bosch unterstützt die mitgereisten Partnerinnen und Partner bei ihrer beruflichen Weiterbildung während des Aufenthaltes in Österreich. Für 2013 planen wir einen regelmäßigen Expatriates-Stammtisch an den österreichischen Bosch-Standorten, damit sich die Expats und ihre Familien besser vernetzen und leichter austauschen können.
Müller: Wieviele Impatriates sind das ca. pro Jahr? Aus welchen Ländern?
Braun: Immer mehr Bosch-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus aller Welt wagen den Schritt, einige Jahre für Bosch in Österreich zu arbeiten. Jährlich kommen davon ca. 20-30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einen Zeitraum von zwei bis sechs Jahren zu uns nach Österreich. Die Herkunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist durchaus unterschiedlich - der Großteil kommt jedoch aus Europa (Deutschland, Großbritannien, Italien, Tschechien und Serbien). Auch Mitarbeiterinnen und Mitrarbeiter aus Amerika, Indien, Russland, China und Japan finden den weiten Weg nach Österreich. Zusätzlich dazu haben wir jährlich ca. 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis zu max. 2 Jahre (d.h. Short-Term-Assignments) nach Österreich entsandt werden.
Müller: Was ist das speziell Herausfordernde an Ihrer Rolle als Erstansprechpartnerin?
Braun: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien bedeutet eine Entsendung nicht nur den Umzug in ein neues Land mit möglicherweise anderer Sprache, sondern auch eine ganz neue Kultur mit anderen Bräuchen, Essgewohnheiten und Verhaltensweisen. Ich bin ihre erste Ansprechpartnerin und werde somit auch mit all diesen Themen konfrontiert. Die besondere Herausforderung für mich besteht darin, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Ankunft in Österreich und auch den Einstieg in die neue Position so einfach und problemlos wie möglich zu gestalten. Daher ist es besonders wichtig, schon vor der Anreise ihnen beratend zur Seite zu stehen und auf ihre Wünsche und Probleme einzugehen. Um es auf den Punkt zu bringen: ein offenes Ohr für jede(n) und alle(s) zu haben.
Müller: Vielen Dank für das Interview!