26. Februar 15
Strategie in der Wissenschaft
Vor
kurzem hatte ich Gelegenheit, in der Strategieentwicklung eines
Zentrums für wissenschaftliche Forschung mit zu machen. Professorinnen
und Professoren, Wissenschaftsmanager und der Vorstand arbeiteten am
Referenzsystem, an dem sich das Zentrum in seiner Strategie ausrichten
sollte. Dabei wird schnell deutlich, wie vielfältig die Landschaft ist,
in der für eine solche Organisation Sinn entstehen kann. Keine
Organisation kann sich um alle Themen der Welt kümmern, es ist immer ein
Ausschnitt, der identitätsbestimmend ist. Automobilunternehmen sorgen
für Mobilität (bzw. Teilaspekte davon), Banken für Kapitalanlage und
Finanzierung etc. Organisationen sind eben "sinnsuchende Systeme“, wie
Luhmann schreibt. In Unternehmen ist die natürliche Grenze für die Wahl
des sinnstiftenden Ausschnitts aber leicht beschrieben: Am Ende muss es
dem Unternehmen gelingen, mit seinen Produkten am Markt auf Dauer
zumindest so viel Geld zu verdienen, wie es für die eigene Erhaltung und
die Anforderungen der Kapitalgeber benötigt.
Für ein staatlich
finanziertes Forschungszentrum gibt es keine so eindeutige letztgültige
"Währung“. Als Beispiel hier eine kurze Auswahl von Kriterien, die bei
der Wahl von Forschungsschwerpunkten genutzt werden könnten:
- Gesellschaftliche Relevanz der Fragestellung (wobei "Relevanz“ dann erst recht zu definieren ist)
- Differenzierung/Alleinstellung in der nationalen/europäischen/globalen Forschungslandschaft
- Möglichkeit zu bahnbrechendem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn (was natürlich vorab beliebig schwer einzuschätzen ist)
- Relevanz für die regionale/nationale Industrie
- Öffentliche Kommunizierbarkeit/Medientauglichkeit
- Attraktivität für aktuelle/künftige Forscherinnen und Forscher
- Attraktivität für die finanzierenden Institutionen (was im staatlichen Bereich immer eine politische Komponente hat; eine konservative, eher wirtschaftsnahe Regierung wird ggf. etwas anderes fördern wollen als eine "grüne“)
- etc.
Keines
dieser Kriterien kann dabei in Anspruch nehmen "letztgültig“ zu sein.
Entscheidungen über Forschungsschwerpunkte sind daher in Organisationen,
denen seitens der Geldgeber noch "Freiheit der Forschung“ zugestanden
wird, komplexe Entscheidungsprozesse. Die eigenen Kriterien für Erfolg
oder Misserfolg müssen im Rahmen der Strategieentwicklung erst
mitentwickelt werden.
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