27. Juni 17
Wir probieren es mal aus und sehen was kommt! – Veränderung schaffen durch Experimente
Experimente als Prinzip der Change-Gestaltung
"Das haben wir schon immer so gemacht!" oder "Das ist historisch bedingt bei uns!" oder "Damit waren wir erfolgreich!" – Sätze, die nicht selten im Alltag von Unternehmen zu finden sind. Die Rituale, Regeln, gewohnten Vorgehensweisen einer Organisation entstehen über die Zeit, haben oft in der Vergangenheit zum Erfolg geführt und werden für neue Herausforderungen zu bewährten Handlungsmustern. Nur selten können auf diesem Wege ganz neue, kreative und ungewohnte Lösungen entstehen. Diese brauchen Unternehmen aber ebenso wie die bewährten Handlungsmuster, um sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen und erneuerungsfähig zu sein.
Veränderungsprozesse in der Organisation, unabhängig von der Ausgangslage und dem Thema der Veränderung, haben ein gemeinsames Ziel: Neues in den bewährten Alltag hineinzubringen, seien es neue Formen der Zusammenarbeit, neue Aufgaben, eine veränderte Führungs- und Feedbackkultur. Das Neue zu gestalten und in den Alltag der Organisation zu implementieren ist die verbindende Klammer aller Veränderungsprozesse.
Damit wird das, was "wir schon immer so gemacht haben" plötzlich anders und die Organisation steht vor der Herausforderung, die Vergangenheit nicht abzuwerten und das Neue möglich werden zu lassen.
Um die hierfür notwendige Veränderungsenergie zu entfalten, sind Experimente ein wichtiges Gestaltungselement von Veränderungsprozessen. Mit ihrer Hilfe kann ein geschützter Freiraum geschaffen werden, der es möglich macht, neue Wege auszuprobieren, ganz anders zu denken und zu handeln. Dieser Freiraum des Experimentes zeichnet sich durch folgende Aspekte aus (vgl. Kaduk/ Osmetz/ Wüthrich, 2014 nach Hans-Joachim Gergs: Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management, 2016):
Experimente:
- beginnen mit einer Frage
- sind ergebnisoffen und verlangen keine Rechtfertigung
- bauen auf Freiwilligkeit statt auf Fremdverpflichtung
- verlaufen parallel zu fest verankerten Prozessen und setzen diese nicht außer Kraft
- sind mutig, begrenzen aber bewusst das Risiko
- erzeugen neue Perspektiven und Erfahrungswelten
- setzen auf Beziehung statt auf Systemkontrolle
- irritieren im positiven Sinne und verlaufen spielerisch.
Auch in der allseits bekannten Change-Kurve (R. Moss Kanter) ist das Ausprobieren und Experimentieren ein wichtiger Bestandteil, um das Selbstvertrauen und das subjektive Kompetenzempfinden im Umgang mit dem Neuen aufzubauen. Durch erste kleine Aufgaben entsteht für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter die Möglichkeit, sich mit den neuen Vorgehensweisen zu beschäftigen, das Neue zu erfahren. Dazu muss es aber explizit gestattet sein, in der Phase des Ausprobierens und Erforschens Fehler machen zu dürfen. Durch den positiven Umgang mit Fehlern wird ein Lernprozess gestartet und der Umgang mit dem Neuen kann Schritt für Schritt erlernt werden.
Freiraum für Experimente in der Organisation schaffen
Das Experimentieren ist nicht nur in konkreten Change-Vorhaben ein hoch relevantes Gestaltungselement. Im Sinne der vorausschauenden Selbsterneuerung gilt es fortwährend einen Raum für Experimente in der Organisation zu schaffen. Gerade da, wo Strukturen wenig beweglich sind, wo eine gewisse Starrheit von Prozessen entsteht, ist es sinnvoll Experimente zu etablieren. Im Unterschied zu bewährten Handlungsmustern wie zum Beispiel in Projekten verfolgen Experimente kein klares Ziel. Sie formulieren eine Frage, die in Analogie zu Wissenschaft erstmals erforscht werden will und der neugierig und mit Spaß nachgegangen werden kann. Es ist eine Suchbewegung mit unbestimmtem Ausgang und darin liegt der größte Unterschied zum gewohnten unternehmerischen Handeln. Gelingt es, den Freiraum für Experimente in der Organisation zu schaffen, wird es möglich, die für zukünftige Veränderungsvorhaben notwendige Change Capability kontinuierlich aufzubauen.
Experimente in dieser Form können klein beginnen. Es gilt Mut zu haben, Zeit zu geben, klare Leitplanken für das "Spiel" zu benennen und keine Meilensteine für Ergebnisse zu erstellen. Beispiele für solche Experimente sind:
- einer Gruppe junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die Gestaltung eines zentrales Meetings oder einer Konferenz zu geben und sich überraschen lassen
- neue Konzepte für die Kundenschnittstelle zu entwickeln und in einem Pilot auszuprobieren
- das Talentmanagementprogramm den Talenten überlassen und sie selbst Ideen entwickeln zu lassen wie sie ein Programm für sich entwickeln würden.
Im ersten Schritt gilt es die Fragen zu finden, die für die Zukunft relevant sein werden und Personen zu finden, die Lust haben, daran mitzuarbeiten. Kleine Labs eröffnen, in denen das Ausprobieren und anders Denken möglich wird.
Literatur:
Hans-Joachim Gergs: Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung. Acht Prinzipien für ein neues Change Management. Weinheim Basel 2016