05. November 13
Zwischen Vision und Produkt vermittelt die Strategie
Kürzlich durfte ich ein inspirierendes Gespräch mit einem erfahrenen Unternehmer im Bereich der erneuerbaren Energien führen. Ein durch extreme technologische Entwicklungen und Sprünge geprägtes hoch volatiles Umfeld. Unser Gesprächsgegenstand: Führungsherausforderungen in wachsenden Technologieunternehmen.
Zu meinem Erstaunen war das, was gemeinhin unter der Überschrift „Wachstumsschmerzen“ subsumiert wird, also die Formalisierung von Strukturen und Kommunikationsprozessen, die Professionalisierung der Führungsebenen und die enge Verzahnung der technischen Bereiche mit dem Rest des Unternehmens, überhaupt nicht sein Thema. Denn, so der CTO, wenn man es geschafft hat, sein Business so aufzustellen, dass tatsächlich ein starkes Wachstum (in Umsatz, Mitarbeiterzahl, Standorten usw.) zu verzeichnen ist, habe man den entscheidenden Schritt bereits geschafft. Dann gelte es schlicht, dieses Wachstum intelligent zu managen. Entscheidend sei der Weg dorthin.
Das, worum es eigentlich gehe, sei die Frage: Wie schaffe ich es, eine unternehmerische Vision in ein prosperierendes (und damit wachsendes) Unternehmen zu überführen? So empfand mein Gegenüber schon als Jugendlicher eine extreme Abneigung gegenüber der Atomkraft. Doch von dieser Abneigung über die Vision einer Welt, die sich mit erneuerbaren Energien versorgt, hin zu einem Produkt, welches vom Markt gewollt, vom Kunden verstanden und am Ende auch gekauft wird, ist es ein weiter Weg.
Eric Ries (http://theleanstartup.com) ist der Begründer einer Bewegung, die sich mit der Frage beschäftigt, wie unternehmerische Innovation unter Bedingungen radikaler Unsicherheit funktioniert. Die Erkenntnisse von Ries decken sich weitgehend mit den Ideen meines Gesprächspartners. Erfolgreiche Startups, so Ries (und ich erlaube mir die Anmerkung, dass dies auch für alle anderen Unternehmen gilt, die in einem technologisch geprägten Kontext Produktinnovation vorantreiben), zeichnen sich zunächst durch eine langfristig stabile Vision aus. Die Vision beispielsweise, dass diese Welt sich allein mit erneuerbaren Energien ausreichend versorgen kann. Um die Vision zu realisieren, setzt das Unternehmen eine Strategie, ein Businessmodel und eine Roadmap für sein Produkt ein. Das Produkt selbst ist das Resultat der Strategie - die sich widerum aus der Idee speist, die Vision zu realisieren.
In einem technologisch getriebenen Umfeld ist das Produkt, beispielsweise der Energiespeicher, einem konstanten Wandel, einer kontinuierlichen Optimierung und einem ständigen „tuning“ unterworfen. Etwas seltener besteht die Notwendigkeit, die Strategie anzupassen – aber wenn dies passiert, dann steht eine echte Neuausrichtung an, Ries bezeichnet diese als „pivot“. Die hinter allem liegende Vision hingegen ist stabil, sie bildet das Fundament des unternehmerischen Erfolgs und des sich daraus ableitenden Wachstums.
Letztlich, so der CTO in unserem Gespräch über Führungsherausforderungen in wachsenden Technologieunternehmen, komme es darauf an, den Transmissionsriemen zwischen dem Gründerteam, welches die Vision prägt und trägt, und dem Rest des Unternehmens möglichst stark und schwungvoll zu halten. So bleibt der entscheidende Loop der Innovation intakt: Build-Measure-Learn.