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31. Mai 22

Zur Quadratur des Kreises – vier Perspektiven auf selbstorganisiertes Arbeiten in hierarchischem Umfeld

Wie ist es möglich, in bereits bestehenden, hierarchisch und funktional organisierten Unternehmen Selbstorganisation mit dem Modell der Kreisorganisation umzusetzen? Wie gut kann es gelingen?

Wir begleiten derzeit mehrere Kund*innen bei ihrer Neuorganisation und den Experimenten ihrer Teams. Wir laden Sie ein, unseren Erfahrungen aus vier Perspektiven in dieser Blogreihe zu folgen - und freuen uns auch über Ihre Resonanz und eigenen Erlebnisse!

Erste Perspektive – Umgang mit Überlast und begrenzten Ressourcen

In der Theorie wird davon ausgegangen, dass die selbstorganisierten Kreise ausreichend Ressourcen verfügbar haben, denn durch agile Planung und direkte Abstimmung sind effizientere Prozesse möglich. Zudem soll die Entscheidung über Priorisierung zum Ressourceneinsatz in den Kreisen liegen. Dabei sind Kreise nicht darauf angelegt, Aufträge abzulehnen, sie sollen Ermöglicher sein, haben aber alle Ressourcen für die Wertschöpfung zur Verfügung.

In der Praxis erleben die Kreise,

dass die Abstimmung mit den weiterhin klassisch aufgestellten internen Bereichen viele Ressourcen bindet,

dass sie zu viele Kundenbedarfe gleichzeitig realisieren sollen, wenn sie nach Produkten und nicht nach Kundensegmenten aufgestellt sind,

dass zu viele unterschiedliche Kundenanforderungen gleichzeitig bedient werden sollen, weil die Organisation selbst nicht priorisiert, sondern alles annimmt,

und vor allem: dass sie in ihrer Priorisierung oft übersteuert werden.

Ressourcen sind nicht unbegrenzt verfügbar – das Ergebnis ist oft Überlast und Frust – die Kreise erleben sehr schnell die organisationalen Grenzen der Selbstorganisation.

Diese Überlast ist auch in der herkömmlichen Organisation nicht unbekannt. In vielen Organisationen gibt es ein Muster, dass (vor allem die obere) Führung mit sehr hohen Ansprüchen führt – alles wird angenommen, es gibt viele VIP-Kund*innen, es herrscht der Glaube, dass ein hoher Auftragsdruck auch maximale Leistung erzeugt.
Dort gibt es allerdings auch eingespielte Regulatoren und explizite und implizite Vereinbarungen, wie damit umzugehen ist. Beispiele dafür: Führung schützt vor Überforderung, Überstunden müssen beantragt und z.B. auch vom Betriebsrat abgesegnet werden oder: Aufgaben bleiben einfach liegen, ohne dass es jemandem auffällt usw.

Was kann helfen? Da wir davon ausgehen, dass gerade im IT-Umfeld Personalressourcen nicht unbegrenzt erweitert werden können, braucht es eine sehr gute Steuerung in der Annahme der Kundenaufträge und Rückkopplung mit den Kreisen – eine akzeptierte Form des Gatekeeping.  Im Scrum liegt das in der Rolle der Product Owner, die im Kreismodell nicht zwingend vorgesehen ist. Die Nutzung und Stärkung dieser Rolle könnte hier hilfreich sein.

Wir sehen aber vor allem die Notwendigkeit einer Haltungsänderung: Wenn in einer hierarchischen Organisation die Geschäftsleitung die Haltung der Durchlässigkeit ("Wir nehmen alles an") ändert, sie sich ebenfalls vollständig auf das Experiment einlässt, Vertrauen in den Leistungswillen der Beteiligten in den Kreisen und in ihre Priorisierung hat, können Kreise gut funktionieren.

Im nächsten Blog unsere zweite Perspektive: Kopplung von Kund*innen und Geschäftskreisen – Wer ist wie anschlussfähig, wenn der Vorstand nicht mehr kommt?

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