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16. Juli 24

Kirche kann Kulturwandel – Ein Blick in die Werkstatt

Projektmanagement im Bistum Hildesheim
von Inga Pöhlsen-Wagner, Klaus Danzeglocke (osb international) und Andrea Wolters, Stephan Garhammer (Bistum Hildesheim)

Die Berichterstattung in den Medien über den Zustand der katholischen Kirche ist überwiegend kritisch. Aus Sicht erfahrener Berater*innen drängen sich Fragen zur Zukunftsfähigkeit dieser 2000 Jahre alten Organisation regelrecht auf. Wir möchten hier die Aufmerksamkeit auf die zwingend notwendige Transformation der Organisation Kirche richten und mit einer kleinen Erfolgsgeschichte die Diskussion anregen – mit Potenzial für mehr!

Doch vorab ein kurzer Blick auf die Situation: Das Bistum Hildesheim leidet, wie alle anderen Bistümer auch, unter Mitgliederschwund. Es fehlt pastorales Personal, in der Diaspora des Nordens schrumpfen die Gemeinden. Der Kostendruck ist immens. Es braucht dringend neue Konzepte für die Gemeindearbeit, wenn ein Pfarrer drei bis fünf Gemeinden betreuen soll. Und schließlich muss auch die "Produktpalette" überarbeitet werden: Wofür engagieren sich Menschen heute in ihrer Gemeinde, wofür machen sie sich auf den Weg?

Diese herausfordernden Rahmenbedingungen im Blick hat sich das Bischöfliche Generalvikariat, die zentrale Verwaltungsstelle des Bistums, auf den Weg zu einer Neustrukturierung gemacht. Ziel dieser Neuausrichtung war es, die Aufbau- und Ablauforganisation den neuen Gegebenheiten anzupassen und sich professioneller und effektiver auszurichten. Ein zentraler Schlüssel war dabei die Einführung eines Projektmanagement-Offices (PMO) mit genügend Personalkapazität, um ein Projektmanagement-System aufzubauen und zu betreuen. 

Diese Entscheidung des Leitungskreises des Bischöflichen Generalvikariats hatte weitreichendere Konsequenzen als zunächst angenommen: Es wurden Prozesse, Rollen und Regeln erarbeitet und verbindlich für alle aufgestellt, die es Auftraggeber*innen und Projektleiter*innen ermöglichen, in einem vereinbarten Rahmen ihre Projekte durchzuführen.

Wir wurden als systemische Organisationsberater*innen beauftragt, das PMO zu unterstützen, zwei Gruppen von Projektleitungen zu qualifizieren, die Führungskräfte in der Linienorganisation mit Projektmanagement vertraut zu machen und den Leitungskreis in seinen Entscheidungen zu begleiten.

Das Problem: Die vielen Initiativen waren oft ineffizient und wenig gesteuert, neue Themen standen an, die priorisiert werden mussten und die Projekte in den einzelnen Bereichen waren nicht gut aufeinander abgestimmt. Mit anderen Worten: Es wurden wertvolle Ressourcen und damit die Motivation der aktiven Mitarbeiter*innen verbraucht, ohne dass die gewünschten Wirkungen erzielt wurden. Hierbei ging es auch um Fragen von Führungs- und Konfliktkultur oder wie Innovation und Kreativität zielgerichtet gefördert werden.

Was ist in diesem einen Jahr der Implementierung im Bischöflichen Generalvikariat gelungen? Wir freuen uns, dass das Projektmanagement hier eine kulturverändernde Wirkung erzeugt hat:

  • Der Leitungskreis des Bischöflichen Generalvikariats hat sich als Entscheidungsgremium etabliert, das auch über Prioritäten entscheidet und bereichsübergreifende Zusammenhänge berücksichtigt. Konflikte werden transparent gemacht und bearbeitet.
  • Alle Beteiligten gehen bewusst mit den vorhandenen Ressourcen um, wo vorher wenig steuernd eingegriffen wurde.
  • Die Linien-Führungskräfte haben durch das Vehikel des Projektmanagements die eigene Steuerungs- und Führungskompetenz weiterentwickelt.
  • SMARTe Ziele, Nutzenbetrachtungen und Kostenaufstellungen haben zur Klärung von Problemen beigetragen, wodurch die Projekte nun reibungsärmer laufen. In- und Output werden gesteuert, Prozesse optimiert.
  • Das PMO ist als beratende Einheit anerkannt, Tools helfen bei Planung und Steuerung, alles wird verbindlich genutzt.
  • Die Projektleitungen können sicher sein, nicht umsonst zu arbeiten, da das Vorgehen im Leitungskreis entschieden und gewollt wurde. Die Aufmerksamkeit des Managements ist damit gegeben und durch laufende Statusberichte werden Störungen im Projekt bearbeitbar.
  • Durch regelmäßige Retrospektiven und Feedback durch das PMO lernen alle Beteiligten in den verschiedenen Rollen miteinander weiter.

Natürlich gibt es auch Kritik – die formellen, teilweise bürokratisch wirkenden Prozesse des Projektmanagement-Systems sind irritierend und stören spontane Kreativität. In der Organisation gibt es neue Entscheidungsmodi – und damit berührt das Projektmanagement auch Machtfragen im System.

Aber unser Eindruck nach einem guten Jahr ist, dass es eine positive Aufbruchsstimmung gibt, von der alle profitieren und es werden bereits Überlegungen angestellt, wie diese Arbeit über das Bischöfliche Generalvikariat hinaus sinnvoll und wirksam im Bistum einfließen kann. Als nächsten bedeutenden Schritt entwickeln verantwortliche interne Akteure ein attraktives Zukunftsbild und legen für die nächsten Jahre die strategischen Ziele fest. Ein ambitioniertes Projekt, dass auch dem Projektmanagement einen sinnstiftenden Rahmen geben wird. Als osb international begleiten wir diesen spannenden Prozess.

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